Warum ein neuer jüdischer Tempel
in Jerusalem ein Symbol des Friedens sein kann
Die
Christen haben ihr bedeutendstes Heiligtum in Jerusalem, die Muslime haben eines
ihrer größten Heiligtümer in Jerusalem, nur die Juden haben ihr ersehntes
großes Heiligtum in Jerusalem nicht, sondern sie beklagen, dass sie es nicht
haben, an der Klagemauer.
Und es
scheint auch keine Aussicht dafür zu geben, dass sie es bekommen. Die Christen
möchten nur den Status quo aufrechterhalten und auch die Muslime, die den
Tempelberg besitzen, geben den Juden keinen Grund zur Hoffnung. In meinen Augen
ist das einer der Hintergründe für die israelische Siedlungspolitik in den
besetzten Gebieten. Es fehlt das Symbol des Heilseins.
Die
folgenden beiden Anekdoten könnten helfen, das besser zu verstehen:
Als ich
kürzlich die Geschichte von der Eroberung Palästinas durch den Kalifen Omar im
Jahr 638 zwei jungen Türken erzählte, überraschten mich die beiden mit einer
Aussage, die mir aus dem Mund von Muslimen geradezu unglaublich erschien, insbesondere
weil beide auch theologisch hochgebildet sind.
Die beiden
wussten natürlich von der Nachtreise des Propheten „zur entferntesten Moschee“,
wie es im Koran heißt (Sure 17,1). Sie kannten auch deren außerkoranische
Ausschmückung. Ihr gemäß wurde der Prophet vom Erzengel Gabriel von der Kaaba
in Mekka zum Tempelberg in Jerusalem transportiert und von dort in den Himmel
emporgehoben, damit er dort mit allen vorangegangenen Propheten zusammentreffen
konnte.
Ich
erzählte nun, wie der Kalif Omar nach seinem Einzug in Jerusalem den
christlichen Patriarchen Sophronius aufsuchte und ihn
bat, ihm den Tempelberg zu zeigen. Diese Bitte war für den Patriarchen sehr peinlich,
denn der Platz war von den Christen absichtlich als Ruine belassen worden, ja
schlimmer noch, sogar zur Müllhalde gemacht worden.
Der
Patriarch führte den Kalifen aber trotz Müll hinauf und er zeigte ihm auch die
Stelle, an der das Allerheiligste des Tempels gestanden hatte. Sophronius kannte die Stelle, weil Juden jedes Jahr dorthin
gingen, um einen gewissen Stein zu salben.
Der Kalif
ließ sich alles genau zeigen. Dann ließ er seine Leute den Platz reinigen und er
nahm ihn damit in Besitz. An der Stelle des gesalbten Steins wurde später der Felsendom
errichtet und südlich davon die Al Aqsa Moschee – zu deutsch „die entfernteste“
Moschee, von der der Koran berichtet.
Als ich
davon sprach, dass der Kalif den Tempelberg in Besitz genommen hat, waren die
beiden Türken entsetzt. Ich verstand nicht, warum. Sie meinten, der Kalif hätte
das nicht tun dürfen. Was hätte der Kalif nicht tun dürfen, fragte ich. Den
Tempelberg in Besitz nehmen. Für mich als Historiker war das Handeln des
Kalifen selbstverständlich. Jeder Eroberer hätte das so gemacht. Was hätte der
Kalif stattdessen tun sollen, fragte ich. Und nun kam die für mich fast
schockierende Antwort: Er hätte den Tempelberg den Juden übergeben müssen.
Ich war
sprachlos. Aber ich weiß, dass diese so äußerst überraschende Antwort absolut
vom Geist des Koran inspiriert ist, weil Muslime,
gemäß Koran, die Angehörigen der Buchreligionen, also Christen und Juden, achten
sollen. Meine jungen türkischen Zuhörer waren wie selbstverständlich davon
ausgegangen. Ihr natürliches Rechtsempfinden hatte ihnen gesagt, dass der
Respekt vor den Juden im Eifer des Gefechts zu kurz gekommen war. – Und ihr
naives Rechtempfinden beschreibt genau, was religiöse Juden mit Blick auf den
Tempelberg auch heute noch empfinden.
Historisch
ist in dem Zusammenhang außerdem noch wichtig zu wissen, dass es persischen
Juden nur 24 Jahre zuvor (!) gelungen ist, den persischen König dafür zu gewinnen,
Byzanz anzugreifen, und Palästina zu erobern. Der Hintergedanke war, den Tempel
in Jerusalem wieder aufzubauen.
Der
Feldzug war erfolgreich. Palästina fiel im Jahr 614 an die Perser. Die
Wiedererrichtung des Tempels scheiterte aber an einem radikalen Politikwechsel der
Perser zugunsten der Christen im Jahr 617 und bereits 629 erfolgte die
Rückeroberung durch die Byzantiner.
Die Byzantiner
aber waren durch die Perser so sehr geschwächt, dass sie dem anschließenden
arabischen Feldzug des Jahres 638 nicht mehr standhalten konnten. Deshalb
konnte Kalif Omar ganz Syrien nahezu kampflos einnehmen.
Historisch
betrachtet, hat er seinen fast mühelosen Sieg also den Juden zu verdanken.
Vielleicht
können diese beiden Details helfen, zu verstehen, was für eine Sehnsucht hinter
der Idee eines neuen Tempels steckt und was für ein intensives Bemühen darum, und
warum „ein Tempel für die Juden“ deshalb heute zu einem Symbol des Friedens
werden kann.
Gottfried
Hutter, Vorsitzender des Tempelprojekt e.V., gottfried.hutter@gmx.de; mehr
Information auf www.Tempel-Projekt.de.