Deutsche Welle / TransTel

 

Sendetitel:

Friede der Religionen auf dem Tempelberg

Folgentitel:

Eine Vision für Frieden im Nahen Osten

Produktions-/Folgennummer:

 

Herkunft:

Podiumsdiskussion „Denkzeit“

vom BR alpha 2005

Länge (Min/Sek):

1:34:56

Cutter/in:

 

Redaktion:

 

Redakteur/in:

 

 

 

Vortext:

Im

 

 

1. Sprecher:                                        Kommentar

 

 

Ort der Aufzeichnung:               Schweißfurth Stiftung, Südliches Schlossrondell 1

                                                 Schloss Nymphenburg, München

Datum der Veranstaltung:         6. April 2005, 19 Uhr

Datum der Erstausstrahlung:    30: April 2005, 22:30

-0:24

Serientitel

 

0:00

 

 

0:10

 

 

0:20

Gottfried Hutter

Guten Abend, sehr verehrte Damen und Herren hier im Saal, und auch an den Bildschirmen zu Hause.

Es wird heute um ein brennendes Thema gehen, wenn nicht sogar um den Kern des großen Kulturkonflikts, der die Welt seit dem 11. September 2001 in Atem hält.

Wie kann Frieden werden in Israel und in Palästina?

Zunächst möchte ich mich bei der Schweisfurth-Stiftung sehr herzlich bedanken. Sie hat diese Veranstaltung möglich gemacht und uns diese schönen Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt.

 

0:37

 

 

0:49

 

 

1:00

 

1:06

 

 

1:15

 

 

 

 

1:31

Gottfried Hutter

Es ist mir dann eine große Ehre, Ihnen als die Gäste des heutigen Abends hochrangige Vertreter der drei abrahamitischen Religionen in Deutschland vorstellen zu dürfen. Es sind dies – von links nach rechts – der ehemalige Landesrabbiner von Baden-Württemberg, Dr. Joel Berger. Er ist heute hier für den Zentralrat der Juden in Deutschland, und für die Botschaft des Staates Israel.

Als Vertreter der katholischen Bischofskonferenz ist Weihbischof Dr. Hans-Jochen Jaschke aus Hamburg gekommen.

Die Religion des Islam vertritt heute Abend Sheikh Hassan Dyck, der deutsche Sprecher des ehrenwerten Nakschbandi Sufi Ordens und dessen Oberhauptes Großmeister Sheikh (Mohammed Nasim Al Hakani?).

Dr. Stefan Wimmer von der Universität München wird das Gespräch leiten. Dr. Wimmer ist Ägyptologe und einer der aktivsten Sprecher der Freunde Abrahams, die sich zum Ziel gesetzt haben, dass die drei Religionen, die auf Abraham zurückgehen, sich gegenseitig verstehen lernen.

1:53

 

 

2:02

 

 

 

 

2:16

 

 

 

 

 

 

 

2:40

Gottfried Hutter

Bevor ich auf das Thema zu sprechen komme, möchte ich stellvertretend für viele, die bedauern, heute nicht hier sein zu können, drei Personen erwähnen:

Frau Knobloch, die stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland. Sie hat die Voraussetzungen geschaffen für unsere Veranstaltung, ist heute aber als Sprecherin anderswo engagiert.

Etwas weiter weg, aber mit uns hier doch verbunden, lässt sich der Evangelische Bischof von Jerusalem entschuldigen, Dr. Munib A. Younan.

Und auch die irakische und islamische Architektin Zaha Hadid, die vor kurzem erst mit dem höchsten Architekturpreis ausgezeichnet worden ist, ist leider verhindert durch einen Einsatz in Paris.

Von ihnen allen kommen die besten Wünsche für dieses Gespräch.

2:46

 

 

2:58

 

 

3:09

 

 

 

3:23

Gottfried Hutter

Nun zum Gegenstand des heutigen Abends: Es geht um die Frage, wie die drei abrahamitischen Religionen zum Frieden im Nahen Osten beitragen können.

Während von politischen Friedensbemühungen der verschiedensten Art täglich in den Medien berichtet wird, ist von Friedensbemühungen der Religionen wenig die Rede. Die Religion wird in der Öffentlichkeit eher als ein Problem betrachtet, weil viele Extremisten und Terroristen sich gerade auf ihre Religion berufen.

Aus diesem Grund ist das religiöse Zentrum des Konflikts bisher aus allen Friedensverhandlungen ausgeklammert worden, nämlich der Tempelberg.

3:34

 

3:45

 

 

 

4:00

 

 

4:10

Gottfried Hutter

Der Tempelberg, oder – wie die Muslime sagen - „Haram al Sharif“ wird sowohl von den Juden als auch von den Muslimen als ihr heiliger Bezirk betrachtet. Deshalb könnte es sein, dass wirklicher Friede im Heiligen Land nicht erreicht werden kann, bis mit friedlichen Mitteln geklärt, wem auf diesem Platz welche Rechte zukommen.

Friede im Heiligen Land braucht deshalb zuerst Frieden zwischen den drei Religionen, die heute hier, bei diesem Gespräch, vertreten sind.

Und dieser Friede muss die zentrale Streitfrage in den Konflikt ganz konkret einbeziehen, nämlich die widersprüchlichen Ansprüche auf den Tempelberg.

4:22

 

4:32

 

 

 

 

 

 

4:54

 

 

 

5:08

 

 

 

 

 

5:26

 

 

5:35

Gottfried Hutter

Damit Sie das Lösungsbild, das heute hier zur Debatte steht, besser verstehen können, möchte ich etwas dazu sagen, wie es entstanden ist. Dazu muss ich vielleicht vorausschicken, dass ich katholischer Theologe bin, Politikwissenschaften studiert habe und vor 24 Jahren mehr als ein Jahr lang zu Gast in einem islamischen Sufi-Orden war; vorwiegend in Ägypten. Dadurch hatte ich Gelegenheit, den Islam sehr gut kennen und schätzen zu lernen, und zwar von innen.

Seither habe ich nicht den geringsten Zweifel, dass der Islam eine gottgewollte Religion ist, und dass er denen tatsächlich Frieden bringt, die sich wirklich auf ihn einlassen.

Ich habe mich anschließend sehr intensiv mit dem spirituellen Judentum beschäftigt, und zwar mit einer hassidischen Richtung, und dabei erfahren, dass das Judentum eine sehr lebendige Religion ist, die die Menschen tatsächlich in einen wirksamen Bund mit Gott führt.

Trotz dieser schönen Erfahrungen bin ich bei meiner eigenen Religion geblieben, weil ich das dort auch auf ähnliche Weise finde.

So ist mir klar geworden, dass von den drei Religionen nicht nur eine richtig ist, sondern dass, genau betracht, alle drei richtig sind; jede auf ihre Art.

5:48

 

 

 

6:03

Gottfried Hutter

Als ich den Konflikt, den das Attentat des 11. September zu Tage hat treten lassen, von diesen Voraussetzungen her betrachtete, wurde mir klar, dass eine wirkliche Lösung dieses Konflikts eine wesentliche Bedingung hat: Alle müssen gewinnen. Es darf keine Verlierer geben. Alle müssen gewinnen. Nur dann kann es Frieden geben.

6:14

Gottfried Hutter

Das Lösungsbild, um das es in dem heutigen Gespräch gehen wird, stammt aus dieser Art Blick auf den Tempelberg. Alle müssen gewinnen.

6:24

 

 

6:33

 

 

6:44

 

 

6:53

 

 

 

7:07

Gottfried Hutter

Die letzte Intifada hat ihren Ausgang genommen von dem Besuch eines israelischen Regierungsmitglieds auf dem Tempelberg. Dieser Besuch ist offenbar so verstanden worden, dass die Israelis jetzt Anspruch auf den Tempelberg erheben, der doch das dritthöchste Heiligtum des Islam beherbergt.

Auf diese Weise ist es zu einer Eskalation von Misstrauen und Hass gekommen mit grauenhaften Folgen für beide Seiten.

Diese Eskalation beruht auf beiden Seiten auf der leider auch sonst üblichen Art, mit Konflikten umzugehen, nämlich auf dem Glauben, dass der andere besiegt werden muss.

Betrachten Sie daher jetzt bitte mit mir den Tempelberg auf die andere Art: Alle können gewinnen.

7:16

 

 

7:23

 

 

 

7:40

 

 

 

7:52

Gottfried Hutter

Mitten auf dem Tempelberg steht seit 1300 Jahren das drittgrößte Heiligtum des Islam, der Felsendom.

Aber jetzt möchte eine mächtige Gruppe von Juden an diesem Platz, an dem in der Antike ihr Tempel gestanden hat, einen neuen Tempel aufbauen, und dazu den Felsendom abreißen. Eine äußerst explosive Kombination.

Dabei dürfen die meisten religiösen Juden den Tempelberg gar nicht betreten, weil sie dabei die Stelle entweihen könnten, auf der das Allerheiligste des früheren Tempels gestanden hat.

Wie können unter diesen Umständen alle gewinnen?

7:58

 

 

 

 

8:15

 

 

 

8:29

Gottfried Hutter

Als das Lösungsbild bei mir zum ersten Mal auftauchte, wollte ich es gleich wegschieben, weil es mir so banal erschien. Aber je öfter ich es betrachtete, um so klarer wurde mir, dass diese Lösung tatsächlich alle zu Gewinnern macht.

Wenn der neue Tempel nicht auf dem alten Tempelberg stehen darf, dann muss er darüber errichtet werden, und zwar so hoch darüber, dass er den Anblick des Felsendoms nicht stört.

Am Ende ergibt die neue Konstruktion zusammen mit dem Felsendom das Bild eines gemeinsamen Heiligtums für alle drei Abrahamitischen Religionen ein überraschendes Bild des Friedens.

8:44

 

 

 

 

 

9:03

 

 

9:17

 

 

 

9:29

Gottfried Hutter

Um auszutesten, ob das architektonisch machbar ist und auch, ob die Idee nicht völlig verrückt ist, baute ich ein primitives Modell, fotografierte es und schickte die Bilder an Daniel Liebeskind, der später den Auftrag erhalten hat, das World Trade Center wieder aufzubauen.

Die Antwort kam postwendend. Einer der größten Architekten unserer Zeit findet die Idee nicht nur verwirklichbar; er kann in ihr tatsächlich eine Lösung sehen, und damit ist er nicht allein. Es dauerte nicht lange, bis ich von einer großen Zahl bedeutender Persönlichkeiten aus allen Teilen der Welt zustimmende und unterstützende Antworten hatte.

Eines der weiteren Resultate ist diese Veranstaltung heute. Und damit möchte ich das Wort an den Diskussionsleiter übergeben und ich hoffe, wir werden auch in diesem Gespräch erleben, wie alle gewinnen können.

9:53

Moderator

Sheikh Hassan Dyck, Sie haben mehrere Jahre in Damaskus studiert und in anderen arabischen Ländern gelebt; haben danach in Köln selbst ein Sufi-Zentrum gegründet. Sie treten, glaube ich, auch als Musiker, als Sufi auf. Sheikh Hassan: Salem Aleikum.

10:14

 

 

 

10:29

 

 

 

10:43

Moderator

Herr Hutter beendete seine Einführungsworte mit der Hoffnung, dass alle gewinnen können. Was können die Muslime gewöhnlich gewinnen durch diese Lösung?

Die Muslime haben – wenn Sie so wollen – seit über 1300 Jahren den früheren Tempelberg, den Haram al Sharif, die Al Aksa Moschee, zu dessen Komplex der Felsendom mit dazu gehört.

Warum sollte man an dieser Situation etwas ändern aus muslimischer Sicht? Was könnten Muslime noch gewinnen?

10:55

 

 

 

 

 

11:26

 

11:44

 

11:59

 

 

12:14

 

12:25

 

 

12:38

 

 

12:46

Sheikh Hassan Peter Dyck

Dieser Lösungsvorschlag, die Umsetzung dieses Lösungsvorschlages ist nicht ganz einfach zu verdauen, und sich auch bis zum Ende vorzustellen. Jedoch das Gespräch an sich und die Initiative an sich, die hier stattfindet von unserem Herrn Hutter, ist natürlich begrüßenswert.

Der Gewinn liegt in den Überlegungen: Es gab einen großen Heiligen in der islamischen Tradition, der heißt Jalaluddin Rumi. Das ist ein großer Heiliger, der auch ein Alim natürlich war, ein Gelehrter, der also wirklich endlos viele Schüler hatte an der damaligen Universität. Das hat man damals nicht so genannt, aber es war eine Universität in Konia. Er hatte dann mystische Erlebnisse und fand einen mystischen Meister, Shams-i Tabriz. Mir fällt von einem seiner tausenden von Gedichten eines ein, und zwar sagte er: „Auf meiner Suche nach Gott habe ich im Tempel geschaut und habe ihn nicht gefunden. Ich war in der Kirche, und habe Gott dort nicht gefunden. Ich war in der Moschee und habe Gott dort nicht gefunden. Ich war in der Synagoge und habe Gott dort nicht gefunden. Wo habe ich ihn gefunden zum Schluss?“ Er deutet auf sein Herz und sagt: „In meinem Herzen habe ich Gott gefunden.“

12:59

 

13:14

 

 

 

 

13:27

 

 

 

 

13:40

 

 

 

 

13:59

 

 

14:09

Sheikh Hassan Peter Dyck

Das ist ein wichtiger Punkt für alle Religionen, dass jeder – es geht ja um Frieden, und es ist ein Lösungsvorschlag für den Frieden. Wir sind der Ansicht, dass ein Frieden natürlich vom Einzelnen erst mal ausgehen muss; dass es praktisch nicht möglich ist, wenn ein Menschen in sich keinen Frieden gefunden hat, diesen Frieden auch nicht vermitteln kann.

Da kann man viele äußerliche Rahmen schaffen und Bedingungen demonstrieren wie die berühmten Friedensdemonstrationen, wo dann anschließend Steine geworfen werden und Schaufenster kaputt gehen.

Der Frieden muss individuell anfangen. Das ist der Ansatz, und das ist das Gute dabei. Wenn wir die drei Religionen, um die es ja heute hier geht, in ihrem Ursprung betrachten, dann sehen wir natürlich, dass die Propheten nichts anderes gebracht haben als Frieden. Sie selbst waren natürlich wirklich in Perfektion (mit sich) in Frieden, weil sie nämlich in sich drin nichts anderes hatten als die Liebe zu Gott.

Sie wollten nichts von dieser Welt. Worüber hätten sie sich streiten wollen und worum?

14:18

 

14:34

 

 

 

 

 

14:47

 

 

 

 

 

15:04

Sheikh Hassan Peter Dyck

Ich sage oft zu dieser hektischen  und etwas pessimistischen Zeit und dieser sozusagen islamophobischen Zeit: Wir wollen gar nichts. Wir wollen eigentlich nichts von der Welt. Das ist nicht unser Weg. Wir versuchen, dem Propheten zu folgen. Den Propheten hat man die ganze Welt angeboten: Dem Propheten Mohammed – Friede sei mit ihm -, dem Propheten Jesus.

Allen Propheten kam die Verführung, die ganze Welt anzubieten, und sie haben es ausgeschlagen. Sie wollten es nicht. Sie wollten die Liebe. Sie haben den Tropfen des Paradieses und der Schönheit Gottes geschmeckt in ihrem Herzen, und da war nichts anderes als diese Liebe: Und diese Liebe haben sie gegeben.

Der Prophet Jesus hat gesagt: „Ich kann gar nichts anderes geben als das, was ich in meinen Taschen habe, nämlich nur das.“ Das ist der Ansatz

15:13

 

 

 

 

 

 

Moderator

 

 

 

 

 

Dr. h. c. Joel Berger

 

Moderator

 

Darauf würde ich gerne in einer weiteren Runde noch mal zurückkommen. Herr Rabbiner Dr. Joel Berger: Sie waren – Herr Hutter sagte es schon – lange Jahre, ich glaube fast 20 Jahre Landesrabbiner in Württemberg. Sie sind auch Mitglied des SWR Rundfunkrates

 

gewesen

 

Rabbi Berger: Shalom

15:29

Dr. h. c. Joel Berger

Shalom Uvraha!

 

 

 

15:48

 

 

15:57

 

 

 

 

 

 

16:15

 

 

 

16:28

 

16:34

Moderator

Rabbi Berger: Der Tempelberg, wie wir ihn zu nennen gewohnt sind, war Standort des jüdischen Tempels, den nach biblischer Aussage König Salomo erbaute, der, wenn wir ihn historisch einordnen möchten, am ehesten wohl ins zehnte Jahrhundert vor Christus zählt.

Zur Zeit der babylonischen Gefangenschaft im sechsten Jahrhundert v. Chr. war der Tempel zerstört und lag brach.

Dann wurde er wieder aufgebaut. Wir sprechen vom zweiten Tempel, der von Herodes erheblich verschönert und vergrößert wurde, bis er bald danach dann, im Jahr 70 nach Christus, von den Römern zerstört wurde.

Seitdem steht – abgesehen von vorübergehen einem römischen Tempel, der möglicherweise unter Hadrian gebaut wurde – kein Tempel mehr auf dem Tempelberg.

Dürfen wir überhaupt noch vom Tempelberg unter diesem Namen sprechen?

Welche Relevanz hat der Tempelberg für das Judentum heute?

16:40

 

 

 

16:54

 

17:05

 

 

17:16

Dr. h. c. Joel Berger

Lieber Herr Dr. Wimmer, gestatten Sie mir doch, weil ich das nicht ohne Erwiderung lassen kann, bei den Ausführungen von Herrn Hutter auf einige Irrtümer aufmerksam zu machen.

Erstens: Sie haben gesagt, die zweite Intifada begann mit dem Besuch vom damaligen Oppositionschef Ariel Sharon zwischen Ministerpräsidenten. Dies ist eines der gängigsten Vorurteile von Presse und Medien. Sie müssen nachlesen: Dieser Besuch war bei den muslimischen Behörden, bei den Wächtern des Berges angemeldet, und von ihnen genehmigt worden. Also von Provokation gab es keine Spur und keinen Grund zur Auslösung eines jahrelangen, blutigen verlustreichen Kampfes für beide Seiten. Das ist Punkt eins.

17:37

 

 

17:51

 

 

 

18:10

 

 

 

18:23

Dr. h. c. Joel Berger

Punkt zwei: Sie haben gesagt, mächtige Gruppen von Juden wollen den Tempelberg wieder in Besitz nehmen, und die arabischen Heiligtümer dort vernichten.

Das trifft nicht zu. Mächtige Gruppen sind es nicht. Es sind – wie es in einer Demokratie und einem freiheitlichen Land nicht anders vorstellbar ist – Menschen, die diese verrückte Idee haben.

So, wie bei uns auch einige Menschen verrückte Ideen haben: Neonazis und ähnliche. Aber diese würde ich auch nicht bei uns als mächtige Gruppe bezeichnen.

Ich hoffe, dass wir sehr christlich miteinander umgehen werden, trotzdem Sie dies zur Kenntnis nehmen.

18:33

 

 

18:46

 

 

19:05

 

 

19:11

 

 

 

19:39

 

 

19:54

 

 

20:10

 

 

 

20:22

 

 

 

20:34

Dr. h. c. Joel Berger

Jetzt komme ich dann zu Ihrer Bemerkung. Zunächst einmal. Auf hebräisch Har ha-Bayit ist der Tempelberg ein Teil des jüdischen Staates, ein unverzichtbar Teil des jüdischen Staates; wohlgemerkt konzidiert, dass dort arabische Heiligtümer wie Al Aksa, der Felsendom, dort bleibend existieren werden.

Diese Idee vom Tempelberg ist eine spirituelle, messianische Idee. Das heißt, dass dies ein Teil der messianischen Erwartungen der zukünftigen Erlösung ist. Und so möge man sich bis zum Kommen des Propheten Elias – das ist auch einer unserer Propheten – halt gedulden. Dann wird entschieden, wie die Lage am Tempelberg aussehen wird.

Das heißt: Keinerlei aggressive Vorstellungen und Erwartungen, wie auch seit 1967 überhaupt im Tempelberg keine spektakulären Aktionen oder Angriffe. Einzelne isolierte Angelegenheiten fanden dort statt. Aber nicht durch eine Regierung. Und wie Herr Hutter richtig gesagt hat: Sie lesen dort eine Tafel vor dem Aufgang zum Tempelberg, dass es einem traditionsgebundenen Juden untersagt wird, den Tempelberg zu betreten, weil man nicht genau weiß, wo dort das Allerheiligste stand.

Sogar die Flugzeuge der staatlichen Luftfahrtgesellschaft dürfen den Tempelberg aus dem gleichen Grund nicht überfliegen, und auch aus Rücksicht auf den Islam.

Ich glaube, das ist schon eine tolerante Einstellung zum Tempelberg.

20:40

 

20:48

Moderator

Dürfen wir uns also bis hierher schon mal so weit verständigen, dass es bei den beiden Bezeichnungen wohl bleiben soll und darf? Also: Haram al Sharif oder Al Aksa Moschee auf einen Seite, und Har ha-Bayit und Tempelberg auf der anderen Seite. Beide Bezeichnungen sind aus der jeweiligen Perspektive berechtigt und bleiben es.

21:03

 

 

 

21:20

Moderator

Herr Weihbischof Dr. Jaschke: Sie sind im Erzbistum Hamburg für Fragen der Ökumene als Bischofsvikar zuständig; sind in der Deutschen Bischofskonferenz Vorsitzender der Unterkommission für den inter-religiösen Dialog, und auch für den Bereich Kirche, Kultur und Medien mit zuständig. Herr Bischof: Grüß Gott.

21:29

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Grüß Gott.

21:32

 

 

21:45

 

 

21:55

 

 

 

22:08

Moderator

Wir wissen alle, dass Jerusalem auch für Christen eine heilige Stadt ist, wenn nicht DIE Heilige Stadt, und aus katholischer Sicht darf man auch Rom eine gewisse Position zubilligen. Dennoch: Jerusalem dürfte unangefochten bleiben in Punkto Heiligkeit aus christlicher Perspektive. Das muss nicht ausführlich begründet werden. Der Ort des Geschehens, des Leidens und Sterbens, und nach christlicher Auffassung auch der Auferstehung Jesu Christi, macht daraus eine auf ewig heilige Stadt auch für das Christentum.

Wie aber sieht es mit dem Tempelberg aus? Geht der Tempelberg die Christen irgend etwas an?

22:18

 

 

 

22:29

 

 

 

 

22:47

 

 

22:56

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Als Symbol sicherlich. Aber Christen sind vom Grundansatz her sehr liberal. Jesus Christus hat im Johannes-Evangelium einmal gesagt: „Es kommt die Stunde, da betet man nicht in Jerusalem, sondern im Geist und in der Wahrheit.“ Es gibt ein Bild – vom Neuen Testament aus gesehen -, das sagt: Christus ist der neue Tempel. Und überall, wo an ihn geglaubt wird, wo ihm Ehre gemacht wird unter den Menschen, dort ist der Tempel.

Natürlich hat der Tempelberg  - auch der alte Tempel – eine wichtige symbolische Bedeutung. Aber für Christen gibt es deswegen auch nicht DIE heiligen Orte: weder Rom, noch Jerusalem in einem wirklich letztlich verbindlichen Sinn. Das sind ganz wichtige Orte, aber ein Geist der Freiheit weht durch das Christentum.

23:10

 

 

23:23

 

23:32

 

23:40

 

 

23:49

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Von der Vision vom Tempel, Herr Hutter: Was Sie uns sagen und schreiben, das ist natürlich sehr sympathisch. Da denkt ein Christenmensch und ein Jude an den Propheten Jesaja, das zweite Kapitel: „Die Völker werden zum Berg Zion wallen, und der Herr spricht Recht für alle Völker. Für alle Völker Gerechtigkeit. Dann schmieden sie die Schwerter um in Pflugscharen und die Lanzen in Winzermesser.“ Zion, ein Friedens-Ort, erinnert an den Gott aller Menschen, der die Menschen zum Frieden bringen will.

Aber wir wissen: Die Christenheit und verschiedene Religionen untereinander sind weit entfernt vom Frieden, oder waren lange Zeit weit entfernt und bewegen sich immer wieder nur in Ansätzen auf dieses Ziel hin.

24:06

 

 

24:16

 

 

 

24:30

 

 

 

24:48

 

 

 

25:02

 

 

25:12

 

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Katholische Christen haben seit dem zweiten Vatikanum daran erinnert, dass die Grundhaltung des Dialoges sie bestimmen muss.

Dialog heißt, dass ich mich einlasse auf das Gespräch mit anderen. Ohne dass ich meinen eigenen Anspruch aufgebe, bin ich aber bereit, andere ganz ernst zu nehmen und auch von ihnen zu lernen.

Im zweiten Vatikanum wurde – Katholiken werden das als revolutionär ansehen – formuliert, dass in den nicht christlichen Religionen nicht selten ein Strahl jener Wahrheit zu erkennen ist, der alle Menschen erleuchtet. Wenn Menschen aller Religionen aus ehrlichem Herzen Gott suchten, können sie das Ewige Heil erlangen. Darum sind Christen, katholische Christen, zu Dialog und Zusammenarbeit mit dem Ziel verpflichtet, dass sie sich gegenseitig kennenlernen, dass sie sich wechselseitig bereichern. Wir werden reicher durch den Dialog.

Der verstorbene Papst hat in seiner Person ein eindrucksvolles Bild dieses Dialoges dargestellt.

25:22

 

 

 

 

 

25:38

 

 

25:49

 

 

 

26:02

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Die Juden ... Es gibt eine ganz schmerzliche Geschichte, natürlich mit den Juden, eine schreckliche Geschichte. Aber wir vergessen nicht und dürfen es nicht vergessen, dass sie unsere älteren Geschwister sind. Mit den Juden haben wir die größte Gemeinsamkeit; eine einzigartige Beziehung.

Die Juden leben mit Gott in einem ungekündigten Bund, der auch für uns Christen die unaufgebbare Basis unseres Glaubens bleibt.

Wir sind so weit heute – Fachleute wissen, es, Sie wissen es, Dr. Wimmer -, dass wir christlich-jüdische Kommentare zum so genannten Alten Testament, zum Ersten Testament gemeinsam verfassen können, die jüdischen und christlichen Theologen, gute wissenschaftliche und auch geistliche Werke. Das wissen Christen. Wir haben eine große Gemeinsamkeit.

 

26:15

 

26:23

 

Dr. Hans-Jochen Jaschke

In Demut – aber natürlich auch mit Mut – müssen Christen sagen: „Wir glauben an Jesus Christus, den Messias. Er ist in der Kreuzesgestalt in die Verborgenheit eingetreten, aber wir glauben, dass er der Messias ist, der Sohn des ewigen Gottes.“

26:33

Moderator

Ich darf unterbrechen, weil wir auf diese Frage später gerne zurückkommen.

26:44

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Ja. Vielleicht sage ich noch was zum Zion. Zu den Muslimen muss ich natürlich auch noch Antwort sagen – Entschuldigung.

26:52

 

 

26:59

 

 

27:10

 

 

27:21

 

 

 

27:36

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Die Juden stehen uns vom Glauben her natürlich wesentlich näher. Das ist klar, weil wir mit den Juden gemeinsam die ganze Erste Bibel haben.

Aber Christen, Juden und Muslime dürfen gemeinsam sagen: „Wir beten einen einzigen Gott an, wie ihn auch die Christen anbeten. Wir können das Beten von Juden und Muslimen als Hinwendung zu Gott, als tatsächliche Anrufung, als wahren Lobpreis respektieren.

Deswegen laden katholische Christen auch ein zu multireligiösen Gebeten in Deutschland bei bestimmten Anlässe, wenn es besondere Katastrophensituationen gibt oder etwas Schönes zu feiern in der Schule, im Kindergarten. Diese Praxis hat sich noch nicht sehr weit entwickelt. Aber seit 2003 haben wir eine solche Einladung auch mit guten Anregungen ausgesprochen.

27:46

 

 

 

27:58

 

 

28:11

 

 

28:26

 

 

 

28:37

 

 

28:51

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Zum Zion: Herr Hutter, Sie sagen ja, der Zion kann auch ein virtueller Ort sein, muss also nicht unbedingt schon die Architektur sein. Schön, wenn man sich mit Liebeskind so etwas vorstellen kann.

Darüber müssen wir diskutieren. Wenn er ein Ort ist, der uns daran erinnert, dass wir viel Gemeinsames haben; dass wir in Abraham einen gemeinsamen Ursprung haben, dann ja. Aber Christen sagen auch – Christus sagt: „Ehe Abraham ward, bin ich.“ Also, wir wissen uns als Familie Jesu, der vor Abraham, vor aller Zeit ist und eine ganz eigene Würde hat. Aber darauf kommen wir noch zu sprechen. Ich baue gern an einem Hause des Dialoges – gerne, und ich sage mit Ernst Köhn und vielen anderen klugen Leuten: Religionsfriede ist die große Aufgabe unserer Tage. Freilich mit der klaren Verpflichtung zu Respekt voreinander, zum Verzicht auf jede Gewalt, zur Distanzierung von Terror im Namen Gottes. Die Christen haben lange Zeit dafür gebraucht, und die gegenwärtige Zeit fordert uns da noch einmal gemeinsam ganz massiv heraus. Danke.

29:02

Moderator

Herr Hutter: Sie haben, gerade um das virtuelle Projekt gewissermaßen zu visualisieren, um die christliche Achse in Ihrem Projekt auch sichtbar zu machen, ein Schema vorbereitet, das dem Publikum im Saal ausgeteilt wurde. Möchten Sie zu dem Schema einige erläuternden Worte sagen?

29:32

 

 

29:43

 

29:55

 

 

 

30:12

 

30:26

Gottfried Hutter

Also, diese waagerechte Linie, die Sie da unten sehen, die soll den Tempelberg symbolisieren. In der Mitte dieser Kreis ist das Heiligtum des Islam dort, das Hauptheiligtum, der Felsendom. Der Felsendom ist der jüdischen Legende nach der Ort, an dem Abraham seinen Sohn Isaak opfern sollte. Es ist dann nicht dazu gekommen, aber an diesem Ort hat er seine Bereitschaft dazu demonstriert und dadurch den Test, der ihm gestellt worden ist, bestanden.

Dieser Abraham wird vom Propheten Mohammed als DAS Musterbeispiel für die Geisteshaltung des Islam dargestellt. Durch diese Bereitschaft, seinen Sohn zu opfern, wird Abraham zum Beispiel für alle Muslime. Also, diese Geisteshaltung ist die Grundhaltung des Islam.

30:48

 

 

 

 

30:59

 

 

 

 

31:32

 

 

31:46

 

 

 

 

 

32:02

 

 

32:26

Gottfried Hutter

Wenn man dann weiterschaut: Es war die Grundhaltung des Judentums, es ist die Grundhaltung des Islam, und wenn man auch das Christentum schaut: Diese Bereitschaft, sich selber herzugeben, sich selber zu opfern, ist genau die gleiche Bereitschaft von Jesus.

Deshalb ist für mich dieser Ort nicht nur ein Symbol für Juden und für Muslime, sondern in dieser Geisteshaltung exemplarisch bis ins Äußerste demonstriert, auch die Geisteshaltung von Jesus.

Dadurch entsteht eine Achse. Ich habe Ihnen ja vorhin gesagt: Die einzige Möglichkeit, die ich sehen kann, wie Juden zu ihrem Tempel kommen können – diejenigen, die es möchten – ist, ihn darüber zu errichten. Ich habe mir gedacht: Was man machen müsste auf dieser Plattform, die darüber errichtet werden könnte, ist, den Felsendom zu spiegeln architektonisch, so dass man ihn auch gleichzeitig von oben sieht, um nämlich an diesem Ort die Himmelfahrt des Propheten Mohammed anzudeuten, weil nämlich – obwohl die Muslime eigentlich der Auffassung sind, dass dieses Opfer von Abraham anderswo stattgefunden hat – dies der Ort der Himmelfahrt des Propheten Mohammed war. Dadurch entsteht in der Mitte eine Achse.

 

 

32:28

 

 

 

32:53

 

 

33:04

Gottfried Hutter

Wenn wir überlegen, wie Jesus sich selbst bezeichnet hat, dann finden wir immer wieder als seine Selbstbezeichnung „Menschensohn“. Wenn Sie sich in der Geschichte die Rolle des Christentums anschauen, dann sticht die christliche Rolle besonders dadurch hervor, dass die Christen Akte der Nächstenliebe in den Vordergrund gestellt haben; deshalb Hospitäler und ein Sozialsystem aufgebaut haben, und zwar in einer Weise, wie sie in keiner anderen Religion zu finden ist.

Also, diese Achse der Menschlichkeit ist etwas, was die Christen als ihre Rolle übernommen haben.

33:13

 

 

33:27

 

 

 

 

33:42

Gottfried Hutter

Die Juden wiederum ragen als „Das Volk Gottes“ natürlich heraus. Auch wenn man in der Geschichte schaut, ragen die Juden heraus durch ganz besondere Leistungen. Also ich glaube, man könnte jeder Liste hervorragender Leistungen durchschauen, und man wird feststellen, dass die Juden da eine sehr gute Position einnehmen, egal ob Nobelpreisträger, Künstler, Musiker oder so.

Dieses Volk Gottes hat durch diese Rolle, ein Volk Gottes zu sein, automatisch schon eine herausragende Rolle, was nicht bedeutet, dass die besser sind. Es ist nur eine andere Rolle.

33:58

 

 

 

34:15

Gottfried Hutter

Genauso hat der Islam - weil das die Geisteshaltung des Islam war und auch die Geisteshaltung Jesu und auch die Geisteshaltung des Mohammed - die Rolle, die Basis zu sein; die Grundlage.

Der Islam ist genau das, worauf alle drei Religionen aufbauen. Wenn man Islam als Geisteshaltung bezeichnet, dann muss man sehen, dass nicht nur der Islam diese Geisteshaltung hat, sondern auch das Judentum und auch das Christentum.

34:36

 

34:47

 

 

 

 

35:04

Gottfried Hutter

Somit ist in dieser Struktur, die Sie hier sehen, das Verhältnis der drei Religionen zueinander bezeichnet. Also Anfangs haben viele gesagt: „Das mit dieser Architektur, das ist ja verrückt“, und: „So was kann man ja nicht machen.“ Mir war klar: Es geht mir letzten Endes gar nicht um die Architektur, obwohl die vielleicht dazukommen kann. Das wäre ein schönes Ergebnis. Aber es letzten Endes einfach um eine Darstellung des Verhältnisses dieser drei Religionen zueinander, also um ein virtuelles Bild.

35:18

Moderator

Rabbiner Dr. Berger: Sie hatten sich einige Punkte gemerkt, um einzuhaken.

 

 

 

35:32

 

 

 

35:51

 

35:58

 

 

 

 

36:19

 

 

 

 

36:40

Dr. Joel Berger

Herr Dr. Hutter, bei aller Liebe und Bewunderung für Ihr schönes und ergreifendes Projekt:

Die Bemerkung, die Nächstenliebe wäre etwas zutiefst nur Christliches, kann ich nicht ohne Weiteres stehen lassen. Es muss Ihnen doch bekannt sein, dass diese Nächstenliebe erstmals im Dritten Buch Mose, Kapitel 19, formuliert ist.

Das Copyright liegt bei uns. Sie sind nur Leasingnehmer im Laufe der Geschichte.

Selbst Jesus, wenn er sich darauf berufen hat, wie Sie bitte in Ihrem Neuen Testament nachlesen würden, sagt: „Es ist gesagt worden.“ Und am Rande zitiert man ihn in dem Dritten Buch Mose. Also bitte: Das ist unser Copyright.

Sie können auch nicht sagen, dass die Juden davon nichts halten. Nicht nur wir, auch die wesentlichen Tugenden des Islams, angefangen bei der Gastfreundschaft und fortgesetzt mit den täglichen Gebeten, sind unsere gemeinsamen Güter.

Aber, wie gesagt: Ich möchte doch darauf Wert legen, dass das Copyright bei uns liegt.

36:46

 

 

36:58

 

37:08

 

 

 

 

 

37:28

Dr. Joel Berger

Auch sagten Sie – und das hat mich sehr erleichtert für unseres zukünftiges gemeinsames Projekt -, dass der Tempelberg für Christen ein symbolischer Ort ist, jedoch nicht symbolisch ist wie Feste, wie auch die Einrichtung der Kirchen. Denken Sie an den Altar. Der ist von unserem Tempel Jerusalem. Der ganze Aufbau, die Sakramente sind aus unserem Tempel. Sogar die Tiara des Papstes und die Bekleidung der Priester sind in den Mosaischen Büchern, in der Tora, niedergeschrieben worden. Also auch das ist unser Copyright.

Sie sollen uns nicht aus der Mittelachse ganz verbannen.

37:38

 

 

37:47

 

 

37:58

Dr. Joel Berger

Dann sollte man das ruhig sagen: Ich bin sehr dafür, was Sie gesagt haben mit Jesus; die Erlösung, das Erlöstsein.

Aber wir Juden – und das möchte ich auch schon einmal zum Ausdruck bringen – warten, harren noch auf die Erlösung, und das muss unser gemeinsames Werk sein.

Für Sie ist das eine Parusie, die Wiederkunft. Aber für uns ist das die Erlösung, und zwar der ganzen Welt.

38:08

 

 

 

 

 

38:25

 

 

38:38

Dr. Joel Berger

Wenn Sie, meine Damen und Herren, wissen wollen, warum diese Welt nicht erlöst ist, schauen Sie heute Abend oder beim BR oder bei anderen Anstalten – ich werbe schon für Sie – einmal eine viertel Stunde die Nachrichten an. Dann werden Sie wissen, warum wir nicht erlöst sind.

All das, was in den Nachrichten geboten wird, enthält Mord, Elend, Totschlag, Not, Hunger. Dann wissen Sie, dass wir alle nicht erlöst sind.

Da haben wir Juden noch ein Anrecht, dieser Erlösung zu harren und zu warten.

38:45

 

 

 

38:57

 

39:04

 

 

 

 

39:24

Dr. Joel Berger

Multinationale Gebete? Ich weiß nicht, ob das so eine absolute Lösung ist. Verzeihen Sie, dass ich Ihnen das sage: Wir sind nicht einmal im Stande, gemeinsam das Abendmahl zu nehmen.

Was wollen Sie mit uns in religiösen Gebeten?

Also auch, wenn wir uns zum Dessert treffen, ist das wichtig. Das Vertrauen ist wesentlicher, dass wir einander entgegenbringen müssen, das uns durch die Bibel und unsere Traditionen unzählige Male verbindet.

Nur das kann Ihr Werk, Ihr kühnes Werk, zur Erfüllung bringen. Das ist meine bescheidene Meinung.

39:33

Moderator

Herr Bischof Jaschke, Sie haben das Wort.

39:38

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Ja, Sie haben mir viele Vorlagen gegeben.

39:44

Dr. Joel Berger

Christlich-jüdische Zusammenarbeit.

39:48

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Also, Brüder sind wir schon

 

Dr. Joel Berger

Ja, genau so mit dem Islam.

 

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Ja, aber wir haben die Bibel gemeinsam. Das muss man schon sagen.

39:54

Dr. Joel Berger

Das schon. Aber dennoch: Wenn ich an unsere Tugenden denke und an die strenge monotheistische Einstellung, da verbindet und mit dem Islam mehr als mit der Kirche.

 

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Wollen wir nicht streiten.

 

Dr. Joel Berger

Sie haben schließlich eine Dreifaltigkeit. Wir nicht.

40:08

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Wollen wir nicht streiten.

 

Dr. Joel Berger

Nein!

 

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Zum Punkt „Copyright“: Die erste Bibel lassen wir uns nicht nehmen, lieber Bruder.

 

Dr. Joel Berger

Sie lassen sie sich nicht nehmen?

 

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Lesen wir sie aufmerksam und ganz gründlich.

40:21

Dr. Joel Berger

Verzeihung. Das ist hebräisch geschrieben und am Berge Sinai Moses gegeben worden. Wo waren Sie? Sie waren doch nicht dabei.

40:28

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Ich lese jeden Tag hebräisch.

 

Dr. Joel Berger

Das ist schön. Das freut mich.

40:33

 

 

40:43

 

 

 

 

 

40:58

 

 

 

41:10

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Ein paar Dinge: also, Christen werden sich natürlich nicht mit der Achse der Menschlichkeit zufrieden geben. Wir lassen uns auch nicht auf Mitmenschlichkeit reduzieren. Christus verbindet Himmel und Erde, und Christus stellt die Einheit von Gott und Mensch dar, die EINHEIT von Gott und Mensch, aber er lässt sich nicht reduzieren auf Wohltätigkeit, und wir werden natürlich nicht den Juden die Wohltätigkeit absprechen und auch nicht den Muslimen.

Wir werden es nicht!

Wir lassen uns auch nicht reduzieren auf Geisteshaltungen, denn ich denke schon, es geht um die Gestalt des Glaubens, und zur Gestalt des Glaubens gehört Jesus Christus für Christen ganz entscheidend dazu.

41:15

 

 

 

41:27

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Mit der Erlösung werden wir uns wahrscheinlich recht nahe kommen, wenn wir länger reden: Christen harren auf das Sichtbarwerden der Erlösung. Natürlich sehen wir das Kreuz und die Kreuze, die Gekreuzigten und die Zerriebenen, die gescheiterten Menschen. Aber wir sind der Hoffnung, dass die Erlösung schon wirksam wird. Sie muss nur noch sichtbar werden. Und da kommen wir dem Jüdischen dann auch ein gutes Stück weit näher.

41:42

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Multireligiös? Da haben Sie einen guten Witz gelandet, aber mich eben doch missverstanden. Ich hatte es aber auch nicht genügend erklärt.

Multireligiös heißt, dass wir – jeder in seiner religiösen Tradition – beten. Multi, nicht zusammen, nicht gemeinsam.

 

Dr. Joel Berger

In Ordnung.

41:58

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Ich respektiere den Juden, der jüdisch betet, den Moslem, der muslimisch betet, und ich als Christ christlich. Aber wir beten nicht gemeinsam ein durcheinander gemischtes Gebet.

42:12

Dr. Joel Berger

Wunderbar.

 

 

42:20

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Multi heißt: Jeder in seiner Tradition, und wir respektieren einander in der Unterschiedlichkeit. Die Christenfamilie kann gemeinsame Gebete sprechen, doch nicht gemeinsames Abendmahl halten. Da haben Sie sehr wohl Recht.

42:26

 

 

42:34

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Mit Juden kann man eigentlich auch schon ziemlich viel gemeinsam machen. Aber angesichts der ganzen Belastungen, die wir haben, muss man da sehr vorsichtig sein. Gerade die Christen müssen sehr zurückhaltend sein und dürfen Juden nicht unter Druck setzen, weil sie zur Zeit so viel andere Sorgen und Probleme – gerade in Deutschland – haben.

42:45

 

 

43:00

 

 

43:14

Moderator

Es wird Zeit, dass wir das Projekt selbst uns versuchen, mehr zu vergegenwärtigen: Da wäre der Haram al Sharif mit seinen Moscheen, wie er war und wie er bleibt, unangetastet. In großer Höhe darüber wäre eine neue Plattform durch Stützen oder andere Vorrichtungen. Auf dieser Plattform wäre ein neuer jüdischer Tempel.

Aus muslimischer Perspektive: Geht das? Darf über der Moschee ein jüdischer Tempel schweben, gewissermaßen?

43:27

 

 

43:35

 

 

 

 

43:48

Sheikh Hassan Peter Dyck

Da sollte man mal einen Gelehrten in Al Ashar fragen, ob das möglich ist, oder wie hoch der schweben muss, damit das noch erlaubt ist.

Das sind natürlich Vorstellungen ... Warum soll das nicht erlaubt sein, wenn das in der Luft ist. Besser wäre, wenn wir fliegen könnten. Das wäre noch besser, auf einem fliegenden Teppich von oben gucken zu können.

Das würde mich freuen, wenn wir das zum Beispiel entwickeln könnten, denn die Gemeinsamkeiten sind ja da.

43:56

 

 

44:12

44:26

 

44:34

 

44:44

 

 

44:58

 

 

45:09

 

 

 

 

 

 

45:28

 

 

Sheikh Hassan Peter Dyck

Wir haben jetzt mehrere Male diese Sache angesprochen. Im Heiligen Koran ist es ja ganz klar gesagt: Die Muslime verpflichten sich, wenn sie an den Koran glauben, alle Propheten anzuerkennen; alle Propheten, die je gelebt haben - (zitiert arabisch). Das heißt: „Wir machen wahrlich keinen Unterschied zwischen den Propheten.“ Sie sagten: „Wir hören, wir folgen, und zu Dir, Allah, ist die Reise. Zu dir kehren wir zurück.“ Das ist ja der Punkt. Das muss ja jeder Mensch wissen und für sich entdecken, und dazu ist er erschaffen. Und die Religionen sind immer geschaffen von Gott.

Deswegen würde ich sagen: Copyright gibt es auf viele Dinge, aber darauf nicht. Da hat nämlich ER Copyright, und er ist der einzige. Er ist nämlich der Urheber. Copyright gibt es auf Urheberschaft, und der Urheber von allen Heiligen Schriften ist ER. Er hat sie gesandt. Er hat sie gesandt durch den Erzengel Gabriel, der zu Moses gekommen ist – Friede sei mit ihm -, der zu Isa - lei Salam, Friede sei mit ihm – gekommen ist, der zu Mohammed – Friede sei mit ihm – gekommen ist.

Deswegen müssen wir einfach unseren Glauben darin stärken und die Gemeinsamkeit sehen.

45:38

 

 

 

45:52

Sheikh Hassan Peter Dyck

Ich denke, wir machen kleine Ansätze. Der Herr Dr. Jaschke hat das gesagt, und ich habe es mehrere Male erlebt. Bei uns in der Eiffel, wo wir wohnen, haben wir schon in sechs Kirchen auch gemeinsame Gottesdienste gemacht, so wie Sie gerade gesagt haben: Multi, jeder 20 Minuten.

 

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Multi, genau.

 

46:00

 

 

46:06

 

 

46:12

Sheikh Hassan Peter Dyck

Ja, die katholischen, die protestantischen und die muslimischen Gläubigen. Das war sehr schön. Das ging sehr tief und man wollte sich gar nicht trennen. Es war eine sehr schöne Stimmung.

Das sind kleine Schritte, die wir machen können, wo wir wirklich sagen: Wir müssen uns achten.

Über gewisse Unterschiede können wir natürlich nicht hinwegsehen. Auch der Prophet Mohammed, der war nicht nur vor Ibrahim, der war schon vor Adam erschaffen, also noch früher. Das muss ich jetzt anmelden.

 

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Aber nicht vor Jesus.

46:25

Sheikh Hassan Peter Dyck

Doch, doch. Vor allen! Vor allen ... mhm. Verstehen Sie -

 

Dr. Hans- Jochen Jaschke

 Okay

 

Moderator

Ein schönes Beispiel für solche Unterschiede, die da sind und die wir nebeneinander stehen lassen.

46:34

 

 

 

 

46:47

 

 

 

46:58

 

 

 

47:08

Sheikh Hassan Peter Dyck

Genau. Die müssen wir stehen lassen, und das ist so, wie Herr Rabbi Berger eben sagt: Auch wir warten auf die Erlösung. Wir haben eine ganz klare Tradition, dass wir auf die Erlösung warten. Die kann nicht kommen, weil sie ... sie kommt. Sie kommt, wir glauben daran.

Es ist wie bei einer Geburt. Die Geburtswehen sind sehr stark und der Schmerz wird groß sein, bis dieser Heilige, dieser Erlöser geboren wird, also erscheint.

Für uns ist er schon da sozusagen. Er ist schon da, - geistig gesehen. Er ist schon da, er existiert schon. Aber seine Ankunft, sein Erscheinen ist noch nicht reif. Das ist erst reif, wenn die Geburt reif ist. Und dazu gibt es leider – so ist es in der islamischen Tradition – noch mehr Schmerz. Es wird noch mehr Schmerz kommen in der Welt. Es wird noch enger, es wird noch schmerzhafter.

47:24

 

 

 

 

47:36

 

 

 

 

 

47:58

Sheikh Hassan Peter Deck

Das ist gerade ein großer Grund für uns, und das ist meine Motivation hier zu sein, weil letztendlich die Religion nicht wichtig ist. Wenn der Erlöser da ist, dann ist das sowieso klar, weil Gott dann nämlich eine Religion für alle Menschen zeigt.

Es geht um Gläubige und Ungläubige, letztendlich um diese Sache: Wer ist guten Willens? Wer unterstützt? Wer bringt sein Licht, seinen Glauben, seine Fürsorge, seine Nachsicht, seine Freundlichkeit mit? Und wer zerstört diese Welt? Wer zerstört es? Wer arbeitet für die Zerstörung der Menschen?

Da muss man sich finden. Man muss zusammenhalten. Es sind nicht viele Menschen, die guten Willen sind und aufrichtig darin sind. Das ist der Ansatzpunkt.

48:07

 

 

48:16

Sheikh Hassan Peter Dyck

Wir hatten eine Diskussion in der Volkshochschule. Da haben wir auch anderthalb Stunden geredet und geredet. Und da war ein Herr, ein älterer Rentner, der sagte dann einfach: „Ach, lassen Sie doch mal. Es kommt doch einfach nur darauf an: Wer ist gläubig und wer ist ungläubig? Lassen Sie uns doch einfach glauben.“

48:24

Moderator

Meinen Sie dies auch in einem religionsübergreifenden Sinn? Auch ein gläubiger Jude, ein gläubiger Christ gehört zu den Gläubigen? Nicht zwangsläufig, per se, zu den Ungläubigen?

48:33

 

 

 

 

48:47

 

48:58

 

 

49:08

 

 

49:17

Sheikh Hassan Peter Dyck

Richtig; genau. Wobei die große Chance, konkret und für jeden individuell dann darin liegt, dass er nach innen geht. Das ist das Mystische. Deswegen gehören wir auch dem Sufi-Orden an, weil das nach innen geht, denn innen ist die Befreiung.

Wenn jemand in seinem Herzen den Tempel findet, dann ist er natürlich befreit von dem Äußerlichen.

Ibn Arabi hat gesagt: „Das Herz ist der Tempel.“ Es gibt nichts anderes, letztendlich. Und trotzdem: Wenn er als Muslim betet, nach betet er nach Mekka. Aber er kann natürlich auch nach Westen und Norden und überall hin beten, weil: Wo ist Gott nicht? Zeigen Sie mir irgendeine Stelle, wo Gott nicht ist. Die gibt es nicht.

Deswegen kann ich überall hin beten. Aber er ist Muslim und betet nach Mekka. Der Christ geht zum Altar, und der Jude macht seine Ibada, sein Gebet, und das ist in Ordnung.

49:31

Dr. Joel Berger

Richtung Jerusalem

 

 

49:40

Sheikh Hassan Peter Dyck

Ja, Richtung Jerusalem, und das ist in Ordnung. Und alle sind gültig, hat er gesagt – Entschuldigung.

Alle sind gültig. Ibn Arabi, einer der größten Heiligen und größten Wisser – Bitte?

(Zwischenfrage unverständlich)

49:50

Sheikh Hassan Peter Dyck

Das ist typisch für die Schriftgelehrten, dass die „Ketzer“ sagen, das ist ganz typisch.

49:55

 

 

 

50:06

 

 

 

50:21

 

 

 

 

 

 

 

50:44

Moderator

Die Meinungen mögen geteilt sein.

Um aber nun nach Jerusalem zurückzukommen, und über die spirituelle Dimension dieses Projektvorschlags hinaus auch die Reale nicht ganz auszublenden:

Immer noch ist die Problematik in Jerusalem da, dass der Ort enorm explosiv ist, wie immer wir ihn nennen wollen; dass es eben schon wiederholt zu Blutvergießen kam an diesem Ort, und dass es durch Entwicklungen der Neuzeit zu einer Einstellung vor allen Dingen muslimischerseits vor Ort in Palästina gekommen ist. Das ist meines Wissens auch derzeit die offizielle Einstellung, die offizielle Position des islamische (WAKF?), also der islamischen Aufsichtsbehörde für den Haram al Sharif, dass es an dieser Stelle nie einen jüdischen Tempel gegeben habe.

Wie also sollte jetzt plötzlich einer hoch über der Moschee gebaut werden? Wie können wir von solchen Positionen aus weiterkommen? Wie können wir eine gemeinsame Vision aufbauen, wenn die Position vor Ort ist: „Juden haben mit dieser Stelle nichts zu tun, und hatten nichts zu tun.“

51:08

 

 

 

 

 

51:26

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Ja, wie gesagt: Ich stelle mir ein Haus des Dialoges vor; dass wir erstmal wirklich miteinander geduldig sprechen, auch beten wie wir das eben geschildert haben, und Erfahrungen machen. Dann wird etwas wachsen. Dann werden aus dem Dialog auch neue Einsichten wachsen. Es werden sich Verhärtungen lösen.

Ich würde es großartig finden – aber das müssen Sie beurteilen können -, wenn der Tempelberg vielleicht doch in absehbarer Zeit wieder

51:40

Moderator

Geöffnet wird er jetzt wieder für Touristen. Das ist noch nicht lange her.

 

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Noch nicht lange her? Gut, das ist ein erster Schritt. Das wäre schon ein ganz großer Anfang.

51:50

 

 

51:58

 

 

52:04

 

 

52:16

 

 

52:24

Dr. Hans-Jochen Jaschke.

Aber noch mal: Das Haus des Dialoges, des gemeinsamen Ringens und des Ernstnehmens, das ist für mich das Wichtigste.

Religionsfriede = Weltfriede; Distanzierung von Gewalt; Kampf gegen Unrecht natürlich.

Erlösung ist ja nicht so, dass wir nur darauf harren, dass sie kommt, sondern wir sollen uns einsetzen. Wir sollen wirken, mitwirken. So sagen es Christen, katholische ganz besonders. Sie muss im Inneren erfahrbar werden, aber sie muss sichtbar werden im äußeren Einsatz, in der Friedensbereitschaft und so weiter.

Da sind wir keine Idealisten. Wir wissen: Die Welt bleibt auch immer wieder ein Getümmel von allen möglichen widerstreitenden Kräften.

52:33

 

 

 

 

52:53

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Vielleicht noch ein Letztes: Sie haben sehr scharf die Ungläubigen unterschieden. Christen sind zu einem guten Teil der Hoffnung, dass alle Menschen Kinder Gottes bleiben und dass Gott bei allen, bei jedem den auch den Glauben finden und entdecken kann.

Da sind wir uns nicht so sicher, wie wir das in früheren Zeiten vielleicht einmal waren, dass wir Ungläubige und Gläubige sauber auseinander dividieren.

53:02

 

 

 

 

53:21

 

 

53:33

Sheikh Hassan Peter Dyck

Das sehe ich auch so. Das weiß Gott, wer gläubig ist und wer ungläubig ist. Nur ist es offensichtlich, dass einige Menschen nicht zum Wohle der – ganz allgemein jetzt, nicht abhängig von Glauben oder Unglauben – nicht zum Wohle der Menschheit arbeiten, sondern eben zum Wohle ihrer eigenen Tasche, zum Beispiel, und da auch keine Rücksicht drauf nehmen, wie es den Menschen geht. ob sie hungern, ob sie leiden und ob es Krieg gibt.

Im Gegenteil: Sie mögen Krieg, weil das natürlich unheimlich ökonomisch ist. Solche Kräfte gibt es halt. Die muss man halt einfach nur sehen, finde ich. Man sollte wirklich dagegen aufstehen, gegen solche Missstände – gemeinsam.

53:51

Moderator

Würden Sie dann auch als Muslim in diesem Sinne Ungläubige unter Muslimen ausmachen, die sich als Muslime bekennen, aber aus Ihrer Definition zu den Ungläubigen gehören?

54:02

 

 

 

 

54:15

Sheikh Hassan Peter Dyck

Auch! Oh ja! Schrecklich. Die Wahabiten in Saudi-Arabien, zum Beispiel: schrecklich. Entschuldigung, dass ich das sagen muss, aber es ist so. Es tut mir selber leid, aber es ist leider so, weil sie nämlich genau dagegen arbeiten, gegen das Spirituelle. Weil sie sagen, Religion hat keine Spiritualität. Wenn Religion keine Spiritualität hätte, hieße das, dass sie tot ist. Ist Gott vielleicht nicht spirituell? Oder sind die Propheten nicht spirituell? Natürlich! Das ist die Essenz. Das ist die Essenz unseres Daseins, das Geistige.

54:29

 

 

 

 

 

54:44

 

 

54:52

Sheikh Hassan Peter Dyck

Und der Felsendom, entschuldigen Sie, ihre Frage vorhin:

Für mich brauchen Sie den nicht da oben hin zu bauen. Das ist viel zu umständlich, die ganzen Zeppeline, und dann oben da, auf 500, 600, 800 Meter, und dann da hoch. Sollen wir da hoch fliegen? Können wir machen. Kann man alles üben.

Aber für mich macht man den einfach auf, weil, das ist ein Gotteshaus, der Felsendom.

Er ist auch ein Gotteshaus, und er wird auch zur Anbetung genutzt. Man darf dort beten, man darf ihn besuchen.

545:58

Sheikh Hassan Peter Dyck

Für unsere Religion hat nicht nur Prophet Mohammed (arabische Einfügung) seine Himmelsreise von dort aus, von diesem Felsen sozusagen in die sieben Himmel gestartet, sondern auch alle anderen Propheten haben von dort ihre Himmelsreise (angetreten). Die haben auch Himmels-. Prophet Mohammed ist nicht der einzige mit der Himmelsreise. Aller Propheten haben eine Himmelsreise gemacht.

55:18

Moderator

Warum gerade an dieser Stelle?

 

Sheikh Hassan Peter Deck

Warum? Fragen Sie mich nicht.

55:23

Moderator

Könnte das damit zu tun haben, dass eben früher dort schon eine heilige Stelle der früheren Propheten -

 

Sheikh Hassan Peter Dyck

Natürlich. Das ist eine heilige Stätte.

 

Moderator

- von den Propheten zu den (?) ein gebauter, wie der Koran sagt -

55:28

Sheikh Hassan Peter Dyck

Ja, ja, sicher. Alle Propheten haben dort gebetet. Alle, alle die waren

 

Moderator

Und der Tempel stand dort.

 

 

 

55:38

Sheikh Hassan Peter Dyck

Und der Tempel stand dort. Mal stand er nicht, dann stand er wieder ... Das ist ein heiliger Ort.

Ich finde, zu einem heiligen Ort Gottes – und wir sind alle Kinder Gottes, da stimme ich Herrn Dr. Jaschke zu – muss da Zugang haben, wenn er zu Gott will.

55:48

Moderator

Also ein Vorschlag, den islamischen Felsendom zu öffnen für Gebete auch anderer Religionen zu öffnen?

55:54

Sheikh Hassan Peter Deck

Natürlich. Warum denn nicht? Die Moschee ist ja da, die Aksa Moschee.

 

Moderator

Dr. Berger: Würden Sie im Felsendom jüdisch beten?

56:04

 

 

 

 

56:28

Dr. Joel Berger

Mann müsste sich noch mit dem Gedanken anfreunden. Ich glaube schon, dass, bis wir dahin kommen könnten, viele vertrauensbildende, vertrauensweckende Maßnahmen stärken sollte und mehr zueinander finden sollten.

Es hat mich auch berührt, was Sie, Sheikh van Dyck, über die Wahabiten gesagt haben. Ich glaube es irgendwie nicht. Ich habe viele Erfahrung mit Atheisten. Wissen Sie, ich habe lange Zeit in einer kommunistischen Diktatur gelebt. Da habe ich gelernt, dass diejenigen, die Atheisten sind, gläubige Menschen sind. Die glauben fest daran, dass sie an nichts glauben. Aber sie glauben, sie haben den Glauben.

 

57:04

 

 

 

57:18

Dr. Joel Berger

Wir müssen ein bisschen umsetzen. So ist es auch mit den Wahabiten. Meinen Sie nicht – das ist auch eine gemeinsame Aufgabe, denn wodurch kommt man zum Glauben? Durch Studium, durch Wissen, durch Erfahrung? – dass wir gemeinsam die Schatzkammer unserer Lehre öffnen müssten? Auch wenn die Bibel gemeinsam ist, ist die Exegese schon unterschiedlich, - dass wir gemeinsam die Schatzkammer – die Hadid brauche ich gar nicht zu erwähnen. Wir haben große Orientalisten gehabt. Ein Ignaz Goldzieher ist Ihnen bestimmt bekannt. Er kommt aus dem gleichen Institut wie ich.

57:48

Dr. Joel Berger

Also, wenn wir die gemeinsame Schatzkammer öffnen, helfen wir auch denjenigen, die heute vielleicht noch nicht die klare Sicht haben. Aber als Wahabiten haben sie den Glauben oder die Einstellung und die Voraussetzungen dazu, dass sie recht gläubige Muslime werden.

58:05

Moderator

Nun sind die Wahabiten nicht so sehr unser heutiges Thema

 

Dr. Joel Berger

Ja, ich habe darauf reagiert.

 

58:22

Moderator

Ja, sicher. Das ist Ihr gutes Recht.

Sie sprachen vorhin von der Regelung, dass streng gläubige Juden den Tempelberg eigentlich gar nicht betreten dürfen.

 

Dr. Joel Berger

Richtig.

 

Moderator

Dies ist meines Wissens vom israelischen Ober-Rabbinat wieder bestätigt worden.

 

Dr. Joel Berger

Richtig.

 

Moderator

Es gibt andere Rabbiner, auch in Israel, die andere Positionen vertreten.

58:38

Dr. Joel Berger

Richtig. Die Juden haben immer viele Positionen; fast wie der Islam. Deshalb beneiden wir die katholische Kirche: „Una et eadem libertas“.

 

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Ein Katholik darf alles.

 

Dr. Joel Berger

Nicht immer.

 

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Fast.

58:55

 

 

 

 

 

59:12

 

 

59:21

Moderator

Ich sehe da nur zumindest für einen erheblichen Teil religiöser Juden Schwierigkeiten, auch in der Theorie mit der Vorstellung im Felsendom zu beten, denn der Felsendom ist der wichtigste Kandidat für die Stelle, wo mal tatsächlich das Allerheiligste des salomonischen Tempels gestanden hat.

Aber der Tempel selbst, wenn er denn nun eines Tages – in messianischen Tagen – wieder vorhanden sein wird: wie wird er aussehen? Genau so wie zur Zeit Salomos oder sogar zur Zeit des Herodes? Oder ganz anders?

59:27

 

 

 

59:41

Dr. Joel Berger

Also, dazu müsste ich selber Prophet sein. Ich bin aus dem Volk der Propheten, aber selber nie ein Prophet. Daher würde ich Ihnen sagen: Auf diese Fragen können wir heute noch nicht die passende Antwort geben. Aber wir können gemeinsam die Hoffnung haben, dass wenn die Zeit kommt mit dem prophetischen Vers (zitiert auf hebräisch), weil mein Haus das Haus des Gebetes für alle Völker ist, für Muslime, für katholische Christen. Wir nehmen sie dazu mit.

1:00:02

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Okay.

 

Dr. Joel Berger

Eben.

 

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Ihr seid großzügig.

1:00:08

 

 

 

1:00:23

 

 

 

1:00:34

Dr. Joel Berger

Na ja, entschuldigen Sie: Sie reden immer vom Christus, aber der ist eigentlich unser Jesus. Ich muss Ihnen eigentlich diese Anekdote weitergeben, die ich mit einem evangelischen Theologen, Zimmerli, im Laufe des Gesprächs geführt habe. Er hat mich gefragt – er war ein Schweizer – er hat mich gefragt: „Was werden Sie am Ende der Tage machen, wenn Sie sehen, dass derjenige, der gekommen ist, unser Christus ist?“ Da habe ich gesagt: „Lieber Professor Zimmerli, erstens Mal: Unser Jesus. Lassen Sie uns den Tag glücklich und selig erleben. Wir werden uns einig werden.“

1:00:42

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Mit Sicherheit ist Christus auch für die Juden, für die Muslime, für alle Menschen da. Das ist ja auch eine Entdeckung.

1:00:51

Dr. Joel Berger

„Auch“? „Auch?“ Interpretiere ich das Wort aus dem Neuen Testament falsch, wenn ich das zitiere: „Ich bin nur gekommen zu den verlorenen Schafen des Volkes Israel.“? Ist das nicht ein Jesuswort? Oder muss ich Geißler fragen: „Was hatte Jesus gesagt?“ Das mache ich nicht.

1:01:10

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Da muss man die Schar der Schrift-Erklärer jetzt nehmen, die dieses Wort richtig interpretieren. Das können Sie?

1:01:16

Dr. Joel Berger

Ich weiß es nicht. Das ist ein neutestamentarisches Wort. Ich habe es nur ...

1:01:23

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Dazu sagt das Johannes Evangelium, dass Christus gekommen ist, um die Welt zu erlösen, dass alle Menschen gerettet werden.

1:01:29

Dr. Joel Berger

Also stimmt es, was er gesagt hat zu den verlorenen Schafen.

1:01:34

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Das ist in einer bestimmten Phase von Jesu Wirken gesagt worden. Man darf diesen Satz nicht verabsolutieren.

1:01:41

Dr. Joel Berger

Gott behüte!

Ich bin einverstanden, wenn Sie auch den anderen Satz nicht verabsolutieren, nämlich das: „Ich bin der Weg, die Wahrheit, und nur durch mich kommt man ins Himmelreich.“ Auch das sollte man nicht verabsolutieren.

1:01:54

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Das muss man richtig verstehen.

 

 

 

ENDE AUDIOBAND SEITE 1

1:02:12

Dr. Joel Berger

Auch dazu sollte man die hebräische Exegese heranziehen, denn wir zweifeln nicht daran, dass diese Worte hebräisch oder aramäisch gesprochen wurden. Und „der Weg und die Wahrheit“, das ist die Halacha. Und da hat Jesus nichts anderes gesagt, als jeder muslimische Gelehrte, ein Kadi, ein Kirchenmann oder ein Rabbi sagt: Für meine Gemeinde bin ich derjenige. Das wollte Jesus damit sagen. Wir sehen ja, was daraus geworden ist.

1:02:31

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Wir sind aber schon weit gekommen. Also, wir waren noch nie so weit im Dialog der Religionen wie in diesen Tagen

 

Dr. Joel Berger

Allerdings. So ist es.

 

1:02:38

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Deswegen  ist auch so eine Idee auf jeden Fall eines Gespräches wert. Wenn man keine Vision hat – eine Vision muss ja auch optisch irgendwie sichtbar werden -, was wird dann aus uns, wenn die Visionen erlöschen? Dann geben wir uns nur dem hin, was eben so ist, ist es ist, und das dürfen wir nicht tun. Da gebe ich Ihnen voll Recht.

1:02:54

 

 

 

 

 

 

 

1:03:21

 

1:03:30

Moderator

Genau mit der Optik der Vision tun wir uns immer noch ein bisschen schwer. Wir haben mit dem Vorschlag, den Felsendom als Gebetshaus zu öffnen, so schön er ist, Schwierigkeiten, weil nicht jeder mitmachen kann. Wir wissen nicht, wie der Tempel aussehen soll, der unter Umständen oben auf der Plattform schon bald realisiert werden sollte. Wir tun uns schwer mit der Architektur.

Wer sollte ihn bauen? Wer wird Architekt? Wer bestimmt sein Aussehen? Wer bestimmt, was sich drin abspielen wird?

Das ist ein Punkt, wo wir die Frage an Herrn Hutter weitergeben könnten: Wie gehen wir mit den noch offenen, aber doch wichtigen Fragen in Ihrer Vision um? Nun, was kann man da machen?

1:03:42

 

 

 

1:04:00

Gottfried Hutter

Also einmal ist es sehr interessant, finde ich, dass zuletzt auch eine islamische Architektin, Zaha Hadid, die ja kürzlich mit dem höchsten Architekturpreis ausgezeichnet worden ist, positiv Stellung genommen hat. Und ich denke, dass einfach ein Wettbewerb stattfinden wird unter Architekten einerseits. Andererseits aber nicht nur unter Architekten, sondern überhaupt unter allen, die dazu was beitragen können.

 

 

1:04:33

 

 

 

1:04:46

 

 

 

1:05:03

 

 

 

1:05:18

 

 

1:05:34

Gottfried Hutter

Für mich ist es auch wichtig, dass in diesem neuen Tempel der Juden nicht nur die orthodoxen Juden vertreten sind, sondern dass wirklich alle vertreten sind; dass gewissermaßen die verlorenen Stämme wieder gefunden werden und integriert werden, und vor allem auch, dass die abrahamsche Tradition fortgesetzt wird, denn etwas Interessantes ist ja, dass der Abraham sich von der Tradition seiner Väter gelöst hat und selbst den Kontakt zum Allerhöchsten aufgenommen hat und ihn gefunden hat in seinem Herzen, und dass vielleicht in dieser Weise andere sich auch gelöst haben von der Religion ihrer Väter, egal, ob Christen, Juden oder Muslime, und versucht haben, diesen Kontakt wiederherzustellen auf eigene Weise, und dass es darunter möglicherweise auch solche gibt, die sich selber als Säkular bezeichnen oder als nicht religiös, und versuchen, die Gefahren, die die Religion bietet, zu vermeiden, nämlich (die Gefahren der Mythologisierung oder der Emotionalisierung oder der bloßen Identifikation mit einer Gruppe, weil es ja wirklich um den Kontakt zum Allerhöchsten geht und nicht darum, mit einer Gruppe identifiziert zu werden.

1:05:53

Gottfried Hutter

Deshalb meine ich, dass dieser neue Tempel, beziehungsweise dieses gesamte Heiligtum, das dabei rauskommen wird, wirklich alle repräsentieren muss, und dass deswegen auch alle gefragt werden müssen.

1:06:08

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Sollen die Christen optisch-visuelle in Erscheinung treten? Sie sagen, die Christen sind die Achse. Wie stellen Sie sich das vor?

1:06:16

 

 

 

1:06:36

 

 

 

1:06:49

Gottfried Hutter

Ich meine, in dieser Symbolik hier würden die Christen tatsächlich mehr als ein geistiges Element erscheinen; als ein architektonisches Element. Architektonisch angedeutet allerdings durch die Spiegelung des Felsendoms oben, wodurch diese Achse entsteht. Diese Achse würde ja dann nicht nur die Himmelfahrt des Propheten Mohammed symbolisieren, sondern natürlich auch die Auferstehung Jesu, und das Kreuz.

Ich glaube, insofern wären die Christen auf alle Fälle da mit drin, aber eben mehr als ein geistiges Element, als als architektonisches Element.

1:06:59

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Ein Problem ist das hier.

 

Gottfried Hutter

Nicht unbedingt.

 

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Für mich schon.

 

Gottfried Hutter

Ach, für Sie schon?

1:07:06

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Wenn wir von einem neuem Tempel reden: Gut, Sie haben irgendwie Recht. Christen haben ja zum Tempel, auch zum neuen Tempel kein direktes Verhältnis, sondern der Tempel ist eigentlich überall.

 

Gottfried Hutter

Genau.

1:07:16

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Sie reden jetzt aber von einem sichtbaren Bauwerk, das Menschen auch wahrnehmen. Das ist nicht überall, sondern an einem Ort. Darum frage ich so nach.

1:07:29

 

 

 

 

1:07:52

Gottfried Hutter

Aber Sie kennen vielleicht auch Lau Tose, diese Aussage von Lao Tse: Das Rad ist sichtbar, aber das wirksame Element ist nämlich genau dort, wo nichts ist, nämlich in der Mitte, wo die Nabe ist und wo das Rad auf die Achse gesteckt wird. Genau in dem Teil ist die Funktion des Rades drin.

Insofern denke ich, dass eine geistige Achse durchaus etwas respektables ist und dass sich die Christen da nicht zurückgesetzt fühlen müssen.

1:08:05

Dr. Hans-Jochen Jaschke

(Das) entspricht aber nicht dem Selbstverständnis der Christen, das ist klar.

 

Gottfried Hutter

Ja, das kann sein.

1:08:10

 

1:08:20

 

 

 

 

1:08:31

 

 

08:47

 

 

1:09:05

Moderator

Machen wir mal einen gewagte gedanklichen Sprung und stellen uns vor, das Projekt wäre realisiert, so, wie Herr Hutter es vorschlägt. Es gäbe diese Plattform, man hätte irgendeine Lösung gefunden, einen jüdischen Tempel darauf zu errichten. Man würde sich die gedachte christliche Achse dazu gut vorstellen können

Gäbe es nicht auf mindestens jüdischer und muslimischer, vielleicht auch auf christlicher Seite auch Gruppierungen, die damit auf keinen Fall einverstanden wären? Wäre nicht zu befürchten, dass aus dieser sehr gut gemeinten Vision ... dass diese Vision nicht auch wieder Auslöser für eine Art Anschlag wäre; für ein fürchterliches Unglück, für neues Blutvergießen? Wäre es möglich, dass – ich mag nicht sagen muslimische Terroristen, aber Terroristen, die sich selbst für Muslims halten, diese Plattform mit dem Tempel zum Einsturz bringen würden? Wäre das vorstellbar.

1:09:22

Sheikh Hassan Peter Dyck

Das wäre vorstellbar. Nicht nur muslimische, sondern auch jüdische, oder christliche ...

1:09:31

Moderator

Die Frage wollte ich als nächstes stellen. Wäre es möglich, dass ...

1:09:33

 

 

 

 

1:09:50

 

 

 

 

 

 

1:10:14

Sheikh Hassan Peter Dyck

Es gibt grundsätzlich in Religionen Fanatiker. Das sind die, die an den engen Strukturen festhalten und Angst haben, loszulassen. Das ist ja gerade das Problem. Man könnte ja ... Natürlich ist es ja auch, wenn man sich das weiter vorstellt: Wie soll dort gebetet werden? Wie soll das gemacht werden? Man kann auch sagen, das ist einfach ein Ort der Stille, zum Beispiel. (Da) könnte man sich einigen in dieser Richtung, dass man sagt, man meditiert dort. Dass alle Leute, egal von welcher Couleur oder von welcher Religion, auch ... Für Touristen ist es zum Beispiel offen. Die dürfen auch da reingehen – oder nicht? – in den Tempelberg. Ja, das heißt, es ist offen. Da kann man dann hingehen und kann sich da still hinsetzen. Man wird ja da drin nicht Fußball spielen, sondern man wird da andächtig sitzen. Und wenn man dann beten möchte, dann kann man da beten.

1:10:24

Moderator

Aber offiziell ist das, wenn es kein islamisches Gebet ist, verboten..

1:10:28

Sheikh Hassan Peter Dyck

Das ist schwierig. Da müsste man dann alles organisieren: Von neun bis zehn, und dann von zehn bis elf.

1:10:35

Moderator

Sie sagten gerade, das eigentliche Problem ist, dass gewisse Leute nicht loslassen können, dass sie Angst davor haben, loszulassen.

1:10:43

Sheikh Hassan Peter Dyck

Ja, ich stelle es mir sehr schwierig vor.

 

Moderator

Ich glaube, das ist tatsächlich der entscheidende Punkt

 

 

 1:10:51

Sheikh Hassan Peter Dyck

Also bei der angespannten Situation, die jetzt da ist, stelle ich mir sehr schwierig vor, dass dadurch Frieden kommt. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das boykottiert wird, so eine Sache. Wenn man anfängt, das konkret umzusetzen, das wird nicht leicht, also zum heutigen Stand.

1:11:03

Moderator

Aber sicher nicht nur aus muslimischer Perspektive ist das das Hauptproblem, sondern die Angst davor, loszulassen von dem, was einem wahr erscheint, wichtig, woran man sich festhält. Davon loszulassen ist sicherlich ein grundsätzliches Problem, das nicht nur Muslime, und auch Muslime nicht in besonderer Weise haben, sondern wir wahrscheinlich alle.

1:11:26

 

 

 

1:11:36

Sheikh Hassan Peter Dyck

Alle haben das. Alle, und das ist der Mangel an Spiritualität. Der Islam hatte bis 1920 war es Sitte und Brauch und Tradition, einen geistigen Wegführer zu haben.

Nicht die Kalifen. Der Kalif wurde beraten von einem geistigen Wegführer. Entweder war er selber ein geistiger Wegführer, das gab es auch im osmanischen Reich, oder er hat sich beraten lassen von einem – sprich Heiligen, würden wir sagen, von einem Gereinigten, von einem – wie soll man sagen? Aulia heißt das auf arabisch. Ein Gott nahe stehender, ein Gottesfreund.

1:12:03

Moderator

So etwas ähnliches meinen wir auch zu kennen?

1:12:08

Sheikh Hassan Peter Dyck

Klar. Natürlich.

 

Dr. Joel Berger

Also, die Juden auf jeden Fall. Der Aulia heißt bei uns (?Ilui?): ein von Gott Erleuchteter.

1:12:16

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Soll man nicht Schritte gehen? Dass man sagt: Der Tempelberg wird jetzt geöffnet, er ist zugänglich. Die großen Religionen nehmen ihn gewissermaßen auch in Beschlag, indem sie beten. Das kann in der Moschee sein, im Felsendom. Es kann ja auch daneben sein.

1:12:33

Moderator

Bis jetzt ist im Bereich des Tempelbergs nur islamisches Gebet erlaubt. Und es so machen, dass es keiner merkt ...

 

1:12:39

 

 

 

 

1:12:55

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Ja, ja. Aber ich rede jetzt ...

Ich rede von Schritten. Am Ende kann da vielleicht auch ein Bauwerk – wie auch immer – stehen. Aber wir müssen Vertrauen gewinnen, müssen uns gegenseitig respektieren, Fanatismus abbauen, den verrückten Menschen keine Chance geben.

Warum soll es denn nicht möglich sein, dass ein Gebet auf dem Tempelberg gestattet wird?

1:13:00

Moderator

Vielleicht deshalb, weil der ganze Tempelberg, das ganze große Rechteck des Haram Al Sharif aus islamischer Sicht ja eine große Moschee ist. Es ist nicht eine offene, leere Fläche mit ein paar Moscheen drauf, sondern der gesamte Komplex ist die Al Aksa Moschee mit einem Gebetshaus in Richtung Mekka, mit einem sehr, sehr, sehr großen offenen Hof, so wie es viele Hof-Moscheen gibt, beispielsweise die Omajaden-Moschee in Damaskus. Und in diesem Hof ist noch eine Stelle besonders markiert durch einen Schrein, durch einen wunderschönen Schrein. Das ist der Felsendom. Aber alles zusammen ist Moschee.

1:13:33

 

 

 

1:13:48

Sheikh Hassan Peter Dyck

Nein. Es ist nicht so. Da ist die Al Aksa Moschee, und da ist der Felsendom. Haram Sharif heißt nicht Al Aksa Moschee. Haram Sharif heißt Haram Sharif. Haram  ist immer eine Grenze, bezeichnet eine Grenze. Haram ist eine Grenze sozusagen, und es begrenzt einfach einen heiligen Bezirk, einen ehrenwerten – Sharif heißt ehrenwert – geehrten Bezirk, einen heiligen Bezirk, kann man auch sagen. Man muss unterscheiden den heiligen Bezirk und dann die Aksa Moschee. Sie ist dort auf diesem heiligen Bezirk. Der Bezirk ist keine Moschee, es ist ein heiliger Bezirk.

1:14:08

Moderator

Dann wäre also die Freifläche, aus der der Tempelberg überwiegend besteht, sozusagen zur freien Verfügung? Da kann jeder hin und machen was er will?

1:14:17

 

 

1:14:24

Sheikh Hassan Peter Dyck

Nein! Da dürfen Sie mich aber nicht fragen. Da müssen Sie wirklich nach Jerusalem gehen und dort die Experten und die, die Hüter sind, fragen.

Ich kann Ihnen nur meine Meinung, meine bescheidene Meinung hier sagen, dass ich es schön fände und begrüßen würde, wenn alle Menschen dort hingehen könnten und zu Gott beten könnten, jeder auf seine Weise.

1:14:36

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Eigentlich dürfen sie es jetzt schon tun, und wenn sie es auch noch öffentlich könnten, wäre schon der nächste Schritt ein ganz großartiger Schritt.

1:14:42

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Für einen Juden wäre das ein guter Schritt, wenn Zion so ein Ort wäre.

1:14:50

Dr. Joel Berger

Zweifelsohne. Der Zion ist schon zugänglich, also die Zion-Seite ist schon zugänglich. Das ist die alte Stadt Davids.

Aber bis dahin müssen wir noch viel daran arbeiten. Hauptsache gemeinsam.

1:15:08

Moderator

Was aber machen wir mit denen, die nicht mitarbeiten wollen? Es besteht zur Zeit zunehmend auch in den Medien offenbar – sagt Ha’aretz eine zunehmend konkrete Gefahr, dass jüdische Extremisten, Terroristen in dem Fall, wenn sie es verwirklichen, einen Anschlag auf die Moscheen auf dem Tempelberg planen im Zusammenhang möglicherweise mit den Abzugsplänen aus Gaza, um wieder einen Zündfunken platzieren zu können.

1:15:36

 

 

 

 

 

1:16:02

Dr. Joel Berger

Lieber Dr. Wimmer, Sie lesen zu viel Ha’aretz. Lesen Sie „Jerusalem Post“ und andere Zeitungen. Israel ist ein pluralistisches Land. Es gibt mehrere Zeitungen und auch politische Richtungen. Wenn sogar der Korrespondent der FAZ, von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Jörg Brehme, der schon nicht zu den Erhellten gehört – gelinde gesagt – behauptet, dass die Siedler abziehen wollen aus Gaza, wäre dies schon der erste Schritt Richtung Wunder.

1:16:14

Moderator

Würde es nicht reichen, wenn fünf oder zehn von diesen Siedlern andere Pläne haben?

1:16:23

 

 

 

 

 

 

 

1:16:49

 

 

1:17:04

Dr. Joel Berger

Ich glaube schon, dass die anderen Pläne sich nicht verwirklichen werden. Sie müssen vielleicht dahingehend denken, dass diese Siedlungen bereits drei Generationen (existieren). Sie haben dort schon ihre eigenen Friedhöfe schon von zwei Generationen, und alles, was sie mit ihrer eigenen Hände Arbeit aufgebaut haben in einer Zeit, als die Palästinenser leider noch keinen Palästinenserstaat wollten. So sind sie dahin gekommen.

Da meine ich schon, dass  - das habe ich als Marxist/Leninist gelernt – die Änderung des Bewusstseins der Massen bedeutet, dass eine gewisse Zeit, bis sie wirkt.

Also geben wir den Siedlern auch diese Zeit.

1:17:08

Moderator

Schon vor der Gaza-Problematik – Einzug nach Gaza, Abzug aus Gaza – ist Anfang der 80er Jahre eine jüdische Terrorgruppe aufgeflogen, die geplant hatte, den Felsendom zu sprengen.

1:17:20

Dr. Joel Berger

Eben: Die ist aufgeflogen und erledigt.

 

Moderator

Ist die Gefahr denn deshalb wirklich irrelevant heute? Ihr Wort in Gottes Ohr, wenn es so ist.

1:17:27

 

 

 

 

1:17:45

Dr. Joel Berger

Wir können hoffen und beten für jegliche terroristische extreme Richtung. Ich bitte Sie: Wir sind in München. Können Sie sich in München absolut sicher fühlen, dass das Haus der jüdischen Gemeinde, was hier gebaut wird, nicht von einem Terroranschlag beschädigt wird?

Gerade jetzt standen vor einem deutschen Gericht solche Terroristen-Kandidaten, und sie wurden rechtzeitig gestoppt. Und das ist Deutschland, nicht Naher Osten, nicht Israel.

 

1:17:56

1:18:06

 

 

 

1:18:24

 

 

 

 

1:18:47

 

 

1:18:56

Dr. Joel Berger

Aber ich nehme gerne das Beispiel Deutschlands auf. Denken Sie einen Augenblick daran, was 70 Jahre in Deutschland existierte; wie Deutschland dachte, wie Deutschland handelte. Und was ist daraus geworden nach 70 Jahren?

Für uns, für die Ewigkeit sind 70 Jahre kaum etwas. Dennoch ist es unter anderem möglich, dass wir heute katholische Christen  - ich sage es in Bayern betont. Ich komme auch aus einem katholischen Land, Regnum Marianum. Das heißt, Bayern ist in diesem Sinne für Katholiken heilig.

Dass ich mit einem Sufi zusammensitze, last but not least mit ihnen allen: Ist das nicht ein kleines Wunder?

Ich bin fest davon überzeugt: Wenn es hier möglich ist, wird es auch dort möglich sein.

1:19:08

 

1:19:21

 

 

1:19:28

 

 

 

 

1:19:41

Moderator

Wir haben spätestens jetzt die politische Ebene betreten, die wir noch kurz ein bisschen zu Wort kommen lassen müssen. Herr Bischof Jaschke: Die Christen hatten früher auch politische Ansprüche in der unseligen Kreuzfahrerzeit.

Der verstorbene Papst hat sich im Jahr 2002 für das entschuldigt, was katholischerseits dadurch an Verbrechen begangen wurde. Seitdem gibt es christlicherseits – ich würde sagen, Gott sei Dank – keine politischen Ansprüche mehr auf Jerusalem.

Ist es nicht ein schönes Beispiel, dass Jerusalem heilig sein kann, dass man die Heiligen Stätten in Jerusalem verehren kann, dass in Jerusalem ein Zentrum der Religion steht, ohne dass es eine politische Hauptstadt sein müsste für die einen oder anderen, (sondern) dass man das sehr gut voneinander lösen kann?

1:20:00

 

 

1:20:13

 

 

 

1:20:25

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Ich halte das für eine gute Entwicklung. Die Geschichte mit den Kreuzzügen war eine schreckliche Verirrung. Sie war nicht primär eine geistliche Geschichte. Sie wissen, welche wirtschaftlichen Interessen eine Rolle gespielt haben. Natürlich gab es auch eine gewisse islamische Bedrohung Europas. So haben das die Europäer empfunden. Also, das hatte viele Konnotationen. Aber in Jerusalem, das müssten die Spezialisten vielleicht noch weiter erörtern, und in Israel und in Palästina haben Christen natürlich zur Zeit auch Sorge. Sie werden immer mehr eine Minderheit. Sie stehen zwischen den Juden und den Muslimen, und werden mehr und mehr aufgerieben.

1:20:43

Dr. Joel Berger

Aber es geht ihnen als Minderheit besser als den Juden damals in Europa.

1:20:48

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Damals! Ja, selbstverständlich. Christen werden nicht verfolgt. Nein, nein. Auf keinen Fall. Aber sie schwinden dahin und sie meinen, dass sie auf Dauer kaum noch Überlebenschancen im Heiligen Land haben. Das wissen Sie mit Sicherheit.

1:21:04

Dr. Joel Berger

Wo bleibt der Glaube, Herr Bischof? Wo bleibt der Glaube, dass man als Minderheit auch noch überleben kann?

1:21:09

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Das sagen Sie uns zu Recht, natürlich. Und die Minderheit ist ja besonders wirksam in der Diaspora.

1:21:16

 

1:21:21

 

 

1:21:30

 

 

1:21:45

 

 

 

1:21:59

Moderator

Bleiben wir noch ein bisschen bei der Politik, bevor wir wieder auf den Glauben zurückkommen.

Ist das Problem im Nahen Osten, in Jerusalem, in Palästina, in Israel denn tatsächlich in erster Linie ein religiöses?

Ist denn Jerusalem und der Tempelberg – so sehr er das Problem fokussiert, in den Fokus bringt -, ist denn das tatsächlich vor Ort im Alltag das Problem der Menschen, die dort leben? Wäre es eventuell Voraussetzung, erst einmal die Probleme im Alltag zu lösen: die Unterdrückung der Palästinenser? Den Terror gegen Israelis? – und sich dann auf eine Vision zu verständigen? Oder kann es umgekehrt gehen? Kann die Vision erst das Leitbild vorgeben und helfen, mit der Tragik des Alltags fertig zu werden?

1:21:01

 

 

1:22:23

 

 

 

 

1:22:43

 

 

 

1:23:00

 

 

 

 

1:23:16

 

 

 

1:23:27

Sheikh Hassan Peter Dyck

Beides. Es wirkt beides aufeinander. Man muss an beiden Sachen gleichzeitig arbeiten. Es gibt genug Beispiele. Man darf das jetzt nicht immer nur auf Jerusalem fokussieren. Man muss auch einfach die Sachen sehen, die passiert sind, die der Papst – Gott hab ihn selig, ein von allen absolut geliebter Mensch in dieser Welt, der dann in den letzten Jahren, als der Sheikh Ahmad Kaftaro, der Großmufti von Syrien, der inzwischen auch verstorben ist, dort die Omajaden-Moschee betreten hat und dort gebetet hat. Und zwar gebetet hat am Grab von Johannes dem Täufer, das ja drin ist. Da gibt es ein Foto vom Papst, wo er dann den Koran nimmt und küsst. Das ist ein schönes Foto. Das sind Ehrbezeugungen, und das ist ein Vorbild. Der Papst ist ein großes Vorbild gewesen für die Menschheit. Er ist ein geistiges Vorbild, ein geistiger Wegführer, einer derer, und an diese muss man sich halten.

Das liegt einfach alles an den Strukturen, dass dann bei den einzelnen letztendlich nicht genug rüberkommt davon. Davon müsste jeder genau aufpassen und sehen. Dann würde er den Respekt bekommen.

Ich kann nur immer wieder sagen: Es geht über die innere Reinigung, also über die inneren Charakterstrukturen.

1:23:37

 

 

1:23:50

 

 

 

 

 

 

 

 

1:24:12

Sheikh Hassan Peter Dyck

Der Prophet Mohammed – Friede sei mit ihm – hat gesagt: „Ich bin nur gekommen, um den Charakter zu vervollständigen“, zu balancieren, auszugleichen. Das ist alles eine Frage der Harmonie, weil die Disharmonie die Krankheit ist. Und da muss jeder Einzelne halt ansetzen. So war es ja auch im Ursprung immer. So hat ja Jesus gelehrt und gelebt und übertragen; nicht nur gelehrt mit Worten. Er hat natürlich gelehrt – unglaublich! – mit einer ungeheuren Liebe. Er hat den einen Fischer ja nur angeguckt und hat gesagt: „Komm mit.“ Und der hat gesagt: „Ja, aber einen Moment. Ich muss noch die Toten begraben. Wir haben gerade ein Begräbnis.“ Da hat er gesagt: „Nee, nee. Lass die Toten die Toten begraben und komm sofort.“ Was war das für eine Kraft? Was war das für eine Liebe, die diesen Fischer so (beeindruckte), dass er sofort mitgehen musste? Und um diese Liebe geht es.

1:24:26

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Eine Frage an den Rabbi möchte ich gerne noch stellen.

Wäre eine Voraussetzung für die Vision, der wir jetzt anhängen, dass Israel mehr ein säkularer Staat wird und dass der Palästinenserstaat ähnlich säkular ist, wo Trennung von Kirche uns Staat, Religion und Gesellschaft ...

1:24:39

 

1:24:45

 

1:25:01

 

 

 

1:25:27

Dr. Joel Berger

Kaum (unverständlich), wollen Sie uns schon missionieren.

Also, Sie sagen damit – oder Sie vermuten etwas Europäisches, was im Orient weder im Islam, noch im Judentum möglich ist. Sie können Staat und Religion, Volkstum und Glaube voneinander nicht trennen, weil sie historisch-organisch gewachsen sind. Das heißt, Sie können nicht Jude sein und dabei halt Israeli oder Nicht-Israeli, oder völlig von allen Traditionen losgelöst. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Der Staat und die Religion sind dort absolut getrennte Angelegenheiten.

1:25:37

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Ich bestreite das.

 

Dr. Joel Berger

Sagen Sie mir ein Gegenbeispiel.

1:25:42

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Wir haben in Deutschland sicherlich auch eine vielfach noch religiöse Basis für die Gesellschaft mit Brauchtum und bestimmten Traditionen.

 

Dr. Joel Berger

Schwindend, schwindend.

1:25:50

 

 

 

 

 

 

1:26:11

Dr. Hans Jochen Jaschke

Ja, aber wir haben sie noch, und ich möchte auf so eine Basis Wert legen. Aber ich spreche von einer klaren Unterscheidung – ja, auch Trennung – von Staat und Religion in Deutschland. Das ist ein Gewinn, den Europa erreicht hat über eine lange Geschichte, und wir sehen, dass Muslime in Deutschland sich damit schwer tun.

Ich hatte jetzt die Frage ... Ja, aber vielleicht gibt es ja auch Lernprozesse.

1:26:18

 

 

 

1:26:30

Dr. Joel Berger

Aus dem Grunde, weil sowohl der Islam wie auch das Judentum eine Lebensauffassung und eine Lebensform ist: Religion, Konfession, das ist eine zutiefst christliche Angelegenheit.

Ihr habt unzähligen Religiösen Dinge reingezwungen mit der Emanzipation, womit uns nicht immer ein großer Dienst erwiesen wurde. Ich möchte, wenn ich könnte, jeden Muslimen warnen, jene Sonderangebote der Emanzipation mit Vorsicht und mit Kritik zu genießen.

1:26:53

Dr. Hans Jochen Jaschke

Scharfer Widerspruch! Ich kämpfe für die Freiheit, auch für die Emanzipation.

 

Dr. Joel Berger

Freiheit schon. Freiheit schon, aber -

 

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Kein Gottesstaat! Bloß nie wieder!

1:27:04

 

 

1:27:20

Dr. Joel Berger

Jede Emanzipation, wo wir genau so assimiliert wie jeder katholische oder evangelische Christ geworden wären, wo Familienwerte – wir reden immer über Werte, weil sie nicht da sind. Wenn die Orientierung sich nicht nach unseren traditionellen Werten richtet, führt eine solche Emanzipation letzten Endes in den Untergang.

1:27:30

 

 

 

 

 

1:27:44

 

 

1:27:54

 

 

 

 

 

1:28:11

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Das sind die Grundwert, von denen wir reden.

Ich habe von der Basis gesprochen, die eine vernünftige Gesellschaft braucht. Das sind Grundwerte, Traditionen. Man sagt auch, das sind so die vorgesetzlichen Grundlagen.

Aber ich möchte auf dieser Basis dann doch eine recht ordentliche, saubere Trennung von Religion und von Staat haben, die dem Einzelnen völlige Freiheit gibt, die den Religionsgemeinschaften ihre Freiheit gibt. Das ist eine Entdeckung, die hat das Abendland gemacht – auch mit negativen Auswirkungen, auch mit dem Säkularismus, völlig klar - , aber der Grundansatz, denke ich, ist gut, und er liegt im Christentum bei Jesus, der gesagt. „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.“ Das Christentum hat das lange nicht gemacht. Wir hatten den Gottesstaat, die Inquisition und all die ganzen Schrecklichkeiten. Das darf nicht wieder eintreten.

1:28:21

Dr. Joel Berger

Aber wo meinen Sie, dass in Israel – mit Ihren Worten – Kirche und Staat nicht getrennt sind? Es gibt gar keine Kirche.

1:28:31

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Also, ich meine jetzt Religion und Staat.

 

Dr. Joel Berger

Aber im christlichen Sinne gibt es auch keine Religion.

1:28:38

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Aber im jüdischen Sinne.

 

 

 

1:28:47

 

 

1:28:56

 

 

 

 

1:29:12

Dr. Joel Berger

Im jüdischen Sinne haben wir keine Religion. Wir haben ein Volkstum, und wir haben einen Glauben. Wir haben unsere Traditionen, unsere Gebote und unsere Gesetze. Und niemand kontrolliert, wie Sie Sabbat halten oder nicht halten, wie  Sie koscher essen oder nicht. Was wollen Sie noch trennen?

Wollen Sie etwa mit der Trennung verursachen, dass die Ehen beim Standesamt geschlossen werden sollen? Wollen Sie die Minderheiten vergewaltigen und die arabische Minderheit in Israel dazu zwingen, vor das jüdische Standesamt zu kommen? Da wäre ein Aufschrei in dieser Welt, dass die Minderheiten vergewaltigt werden. Oder sollen wir evangelische oder katholische Christen zum jüdischen Standesamt bringen um zu heiraten?

1:29:24

Dr. Hans-Jochen Berger

Zum israelischen Standesamt!

1:29:28

 

 

1:29:43

 

 

1:29:52

 

 

 

1:30:02

Dr. Joel Berger

Ein israelisches Standesamt gibt es nicht, weil Eheschließungen und Ehescheidungen nicht multikulturell, sondern jedem seine eigene Angelegenheit ist. Ob der Muslime sich scheiden lässt, ist Sache des Kadi. Ob der Jude sich scheiden lässt, gehört zum Rabbinat. Und der Christ kann es bewirken nach eigenem Gutdünken.

Katholische Christen haben damit Probleme, sehen Sie, weil Jesus gesagt hat – Sie wissen haargenau, was er gesagt hat. Also gibt es keine Scheidung.

Jetzt stellen Sie sich mal vor dem jüdischen Rabbinat eine katholische Scheidung vor: Das ist Gewalt.

1:30:11

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Nicht vor dem Rabbinat! Bei einer staatlichen Stelle.

 

Dr. Joel Berger

Verzeihung. Ich habe Rabbinat in Anführungszeichen gesetzt. Das Rabbinat erfüllt in Israel für Juden die Rolle des Standesamtes.

1:30:21

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Das war früher auch so. Da hat der Pastor die Rolle des Standesamtes erfüllt.

1:30:26

Dr. Joel Berger

In Schweden war das noch vor drei Jahren so.

1:30:28

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Unter Bismarck wurde uns das dann weggenommen. Wir haben dagegen gekämpft. Heute sind wir froh, dass wir den Kampf verloren haben. Das war eigentlich eine gute Sache.

1:30:35

Dr. Joel Berger

Aber lange, lange waren Sie nicht froh.

 

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Na ja ... !

 

Dr. Joel Berger

Bismarck war der Antichrist.

1:30:42

 

 

 

1:31:03

 

 

 

1:31:14

Moderator

Ich hätte noch eine letzte Frage an Bischof Jaschke. Herr Bischof: Zum Zeitpunkt, in dem diese Sendung ausgestrahlt wird, wird in Rom aller Wahrscheinlichkeit nach eine große Freue – Gaudium Magnum – verkündet worden sein. Die erlösenden Worte „Habemus Papam“ werden wahrscheinlich gesprochen worden sein. Wir wissen heute noch nicht, wer der nächste Papst sein wird.

Wer immer es sein wird: Können Sie sich vorstellen, und / oder würden Sie sich wünschen, dass er eine Vermittler-Rolle im Konflikt um Jerusalem einnehmen könnte /  wollte?

1:31:31

 

 

1:31:40

 

 

 

1:31:54

 

 

1:32:02

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Der Papst soll ein Pontifex sein, ein Brückenbauer, ein Vermittler. Das muss jedes gute Amt: ausübend vermitteln.

Und der Papst ist nicht irgendein Autokrat, irgendein Diktator, sondern er steht für Kirche, aber auch im weiteren Sinne für alle, die etwas von ihm halten. Und in diesem Sinne wünsche ich mir auch einen neuen Papst so.

Ich würde mich persönlich mal freuen, wenn Europa etwas in den Hintergrund träte. Aber vielleicht ist das noch nicht so weit. Wir werden sehen.

Der polnische Papst war ja eine totale Überraschung, das hat ja auch keiner gewusst.

1:32:08

Dr. Joel Berger

Jetzt könnte nur noch Ratzinger kommen.

 

Dr. Hans-Jochen Jaschke

Ich habe bei Ratzinger den Doktor gemacht. Dazu will ich mich nicht äußern.

 

Dr. Joel Berger

Nein, ich meinte das ernsthaft.

1:32:17

 

 

 

 

1:32:38

 

 

 

1:32:56

 

 

1:33:08

 

 

 

1:33:18

Moderator

Ich denke, der Projektvorschlag von Herrn Hutter hat angeregt. Bevor ich Herrn Hutter um sein Schlusswort bitten möchte: Er hat angeregt zum Nachdenken, hat vielleicht genau das bewirkt, worum es eigentlich geht, nämlich im spirituellen Sinn sich auf den Weg machen.

Es geht ja tatsächlich um den Weg, sich auf Neues einzulassen und vielleicht auch um eine neue Möglichkeit, mit solchem Konfliktdenken umzugehen, nämlich nicht einfach nur zu denken, was wir so gewohnt sind: entweder / oder. Entweder steht dort eine Moschee, oder die Moschee kommt weg und es steht stattdessen ein Tempel, sondern (wir sollten) über dieses „Entweder-Oder“ hinaus denken, das auch den Konflikt, den politischen Konflikt in seinen Kategorien „entweder Palästina, oder Israel“ schon viel zu lange Zeit blockiert hat.

Herr Hutter, ich würde Sie bitten, ein Schlusswort zu sprechen.

1:33:24

 

 

 

 

1:33:42

 

 

 

 

1:33:59

 

 

1:34:15

 

 

 

1:34:28

 

1:34:43

Abspann

Ende: 1:34:56

 

 

Gottfried Hutter

Ja. Mir hat dieses heutige Gespräch sehr gut getan, weil ich gesehen habe, dass eine große Bereitschaft da ist von allen drei Religionen, aufeinander zuzugehen und miteinander zu reden. Ich glaube, das ist die Basis, die wir für die Zukunft brauchen.

Ob jetzt so ein Gebäude errichtet werden wird oder nicht, das ist nicht der springende Punkt. Der springende Punkt ist das miteinander Sprechen und gemeinsam Lösungen finden, gemeinsam auch die Probleme auszudiskutieren und Lösungen dafür zu finden.

Aber dennoch ist für mich dieses Symbol, dieses symbolische Bild eines gemeinsamen Heiligtums etwas, was wichtig ist für die Zukunft, auch als Anregung für weitere Gespräche. Ich glaube, es braucht immer ein Lösungsbild, so dass man vom Ziel her, von einem Ziel her zumindest einen Weg sehen kann, der dort hinführt.

Ich glaube, dass unser heutiges Gespräch dazu beigetragen hat. Danke.