„Israel“ – ein
säkularer Staat?
Der im Namen
„Israel“ verborgene Schlüssel zum Frieden
[13.3.2013]
Das heutige Israel – so wird gesagt – sei von der rein säkularen
politischen Bewegung der „Zionisten“ gegründet worden.
Aber wenn diese Bewegung wirklich rein säkular war, ist die Wahl des Namens
„Israel“ als Namen für den von ihnen gegründeten Staat doch seltsam. Warum
haben die Zionisten ihren Staat nicht „Zion“ genannt oder „Judäa“ oder
„Kanaan“?
Ist es denkbar, dass diese Zionisten so sehr säkular waren, dass sie die
Erzählung, die mit dem Namen „Israel“ verbunden ist, nicht kannten? Aber sogar
in dem Fall, hätten sie den Namen doch im Wörterbuch nachgeschlagen, bevor sie
sich dafür entschieden! Es erscheint also doch wahrscheinlicher, dass die
Zionisten genau wussten, dass „Israel“ alles andere als ein säkularer Name ist.
Tatsächlich ist „Israel“ der un-säkularste Name,
der überhaupt vorstellbar ist, weil dieser Name dem Stammvater der Israeliten,
Jakob, gegeben wurde, als er nach Jahrzehnten im Exil in sein „Gelobtes Land“
zurückkehrte.
Jakob war im Exil, weil er seinen Bruder Esau um das Erstgeburtsrecht
gebracht hatte. Nachdem er sich auch noch den Segen seines Vaters Isaak
erschlichen hatte, musste vor seinem Bruder Esau fliehen.
Um sein Geburtsrecht aber ausüben zu können, musste er am Ende doch in
seine Heimat zurückkehren – und dazu musste er seinem Bruder gegenübertreten.
Esau hatte vom Kommen seines Bruders gehört und er hatte eine kleine Armee
von 400 Mann zusammengestellt, um ihm zu begegnen.
Jakob hatte Angst.
Als erstes wählte er die besten der Tiere aus, die er aus seinem Exil
mitgebracht hatte, und sandte sie seinem Bruder entgegen als sein
Versöhnungsgeschenk – zusammen mit seiner Bitte um Vergebung.
Als Jakob an den Fluss Jabbok kam, schickte er
seine Leute voraus, damit sie als seine Friedensboten das Treffen mit seinem
Bruder vorbereiten. Er selbst blieb allein am entfernten Ufer zurück. Er
verbrachte die Nacht im Gebet.
Da begegnete ihm eine unbekannte Kraft und kämpfte mit ihm die ganze Nacht
hindurch. Das war kein gewöhnlicher Kampf und Jakobs Gegner war kein
gewöhnlicher Gegner. Es war eine Repräsentation Gottes selbst. So viel begriff
Jakob.
Bevor die Nacht vorüber war, wollte sein Gegner weg, aber Jakob klammerte
sich an ihn und ließ ihn nicht gehen – außer, so verlangte Jakob, er segnete
ihn. An diesem Punkt wurde der Kampf so heftig, dass Jakobs Hüftgelenk
ausgerenkt wurde, sodass er für den Rest seines Lebens hinkte. Aber am Ende
bekam Jakob den ersehnten Segen – und mit diesem Segen bekam er einen neuen
Namen: Von nun an sollte sein Name „Israel“ sein, „der mit Gott gekämpft – und
gesiegt hat“.
Aus all den in Frage kommenden Möglichkeiten wählte die rein laizistische
Bewegung der Zionisten nun diesen Namen als den Namen ihres neuen Staates –
eine klare Referenz zur Rückkehr ihres Stammvaters aus dem Exil. – Und das
sollte keine Bedeutung haben?
Konnte Ministerpräsident Rabin – oder irgendein anderer israelischer
Politiker – je geglaubt haben, dass „Israel“ ein rein säkularer Staat sein
könnte?
Und welches Willkommensgeschenk hatten die Israelis vorbereitet zu ihrer
Rückkehr aus dem Exil? Wie gedachten sie ihre zum Teil aus ihrer Heimat
verdrängten palästinensischen Brüder und Schwestern vor Gott zum Frieden zu
bewegen?
Der Name „Israel“ macht außerdem klar, dass sich die Israelis bei den
islamischen Bewohnern des Landes dafür entschuldigen müssen, dass sie in den
heiligen Raum ihrer Gemeinschaft, der islamischen Umma, eingedrungen sind, wie
Jakob sich bei seinem Bruder entschuldigt hat, als er aus seinem Exil
zurückgekehrt ist.
An das Willkommensgeschenk hatte Theodor Herzl gedacht. Er hatte dem Sultan
angeboten, seine Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen. Aber eine Entschuldigung
hat Herzl nicht angeboten. Was das Eindringen einer nichtislamischen Entität
für die islamische Umma
bedeutet, hat er sich vielleicht nicht wirklich klar gemacht.
Es braucht beides, die mitfühlende Entschuldigung, und ein großzügiges
Gastgeschenk – und nicht Enteignung! Dann aber gebührt den Rückkehrern das
Recht, sich auch auf den Koran berufen zu dürfen, der fordert, dass alle Kinder
Abrahams akzeptiert werden. Und dann haben ihre Gastgeber auch kein Recht mehr,
von ihnen eine Unterordnung zu verlangen, wie den Dhimmi-Standard der Scharia.
Dann können beide einander auf Augenhöhe begegnen und ihren Weg der
Koexistenz und der Zusammenarbeit in einer friedvollen Atmosphäre verhandeln.
Gottfried Hutter, Vorsitzender des „Tempel-Projekt e.V.“