Eine interreligiöse Friedensvision für das
Heilige Land
Durch die Etablierung eines
jüdischen Staates in Palästina ist ein Konflikt entstanden, der allen
Bemühungen um eine Lösung trotzt und der mittlerweile beinah zu einem neuen Ost-West-Konflikt
geführt hat.
Die
politischen Lösungsversuche waren nicht erfolgreich, weil der Konflikt in
seinem innersten Kern ein Konflikt der Identitäten ist, eher religiös als
politisch, ein Bruderzwist unter den Kindern Abrahams.
Das
zeigt sich in aller Deutlichkeit in dem Streit um den Tempelberg in Jerusalem,
der das symbolische Herz des gesamten Nahostkonflikts ist. Verknüpft mit den
Identitäten hunderter Millionen von Menschen, scheint der Zündstoff, den dieses
Symbol enthält, unerschöpflich. Solange dieser Streit nicht gelöst ist, kann
daher der ganze Nahe Osten nicht wirklich zur Ruhe kommen.
Aus
tiefer Achtung für die Identitäten aller Konfliktparteien ist diese Vision
einer friedvollen Lösung entstanden: ein großes abrahamisches
Heiligtum, das nicht nur Grabeskirche und Al-Aqsa-Moschee
umfasst, sondern auch den lange ersehnten, aber erst zu errichtenden neuen
Tempel.
Juden,
die einwenden möchten, dass ein Tempelprojekt nur Ausdruck menschlicher Willkür
wäre, sollten bedenken, dass es nicht so sehr die Juden sind, die einen neuen
jüdischen Tempel brauchen, als vielmehr die Muslime: Seit die Juden in ihre
biblische Heimat zurückgekehrt sind, haben viele Muslime nämlich Angst um ihre
Heiligtümer dort. Und diese Angst kann ihnen letztlich nur ein realer neuer
jüdischer Tempel nehmen.
Ein
neuer Tempel ist also geboten von dem einen friedliebenden Gott über allen. Und
damit kann auch die Sehnsucht der Juden endlich Erfüllung finden.
Schlüssel
zum Neuen Tempel ist die Frage, was es bedeutet, „auserwähltes Volk“ zu sein:
Ein wahrhaft auserwähltes Volk wird heilend wirken wollen, zunächst als
versöhnendes Element zwischen den Kindern Abrahams.
Als
Konsequenz wird sich die jüdische Vision eines Neuen Tempels grundlegend
wandeln.
Sein
Bau wird – ohne jede Vermischung – die großen Heiligtümer der drei Religionen
verbinden und damit die geistige Einheit dieser drei Religionen bestätigen und
gleichzeitig ihre wunderbare Vielfalt darstellen.
Und
sogar die nichtreligiösen Angehörigen der drei Traditionen werden sich in dem
dadurch entstehenden großen neuen pan-abrahamischen
Heiligtum repräsentiert fühlen, denn hier können alle ihren gemeinsamen
Ursprung erkennen und damit auch die Möglichkeit, in Frieden zusammen zu leben.
Gottfried
Hutter, Theologe, München